Endlich deckt eine Frau auf – Olivera Stajic im heutigen Standard (23.04., S. 24, „Eine Schande“), denn Männer sind meist ahnungslos, wie ihr zitiertes Beispiel beweist – dass Kindergärten keine Kinder-Aufbewahrungs-Anstalten sind. Sie zitiert nämlich den Bundeskanzler mit den Worten, es sei keine Schande, seine Kinder in Betreuung zu geben, „wenn man es nicht mehr aushält“.
Das ist einerseits mutig und hilfreich, denn in vielen konservativen Kreisen wird – vor allem in den Bundesländern – erwartet, dass eine pflichtbewusste Mutter sich ihren Kindern Vollzeit widmet. Mir schildern immer noch viele Frauen, die keine Alternativen haben, wie aus der Herkunftsfamilie aber auch aus ihrer Nachbarschaft sozialer Druck auf sie ausgeübt wird, denn – Zitat: „Wir haben auch nicht herumfliegen können!“ Dazu kommt noch der Spott der Ignoranten – damit meine ich diejenigen, die hämisch phantasieren anstatt die Realität zu erfragen – über den angeblichen Drang zur „Selbstverwirklichung“, wenn eine Frau ihrem Beruf (und damit ihrer Altersversorgung) den Vorrang gibt.
Meine Mutter – ausgebildete Volksschullehrerin in der Pflicht, wie auch Konzertpianistin in der Kür – durfte ihre Berufe nicht ausüben und ist ab dem Zeitpunkt, wo sie ihren Flügel aus Platzmangel verkaufen musste, chronisch krank geworden. Ich verdanke ihrer kreativen „Eigenbrötlerei“, dass ich von klein auf ein schweigsam-künstlerisches Vorbild hatte, wie man sich beglückend selbst beschäftigen kann.
Als ich 1977–1986 für den Verein Jugendzentren der Stadt Wien die Club Bassenas konzipieren und aufbauen durfte und mit Jungmüttern und ihren Kleinkindern arbeitete, erlebte ich deren Mängel an Wissen und Umgang über Gesundheit förderndes Kommunizieren. Meine Mitarbeiterinnen und ich machten damals alle psychotherapeutische Ausbildungen, um hier hilfreich unterstützen zu können – nur die eine ausgebildete Kindergarten- und Hortpädagogin benötigte das nicht. Sie hatte das psychologisch-pädagogische Wissen.
Seit damals hat sich viel geändert – vor allem sind auch die Kinder heute anders als die Kinder damals, eine Folge der allpräsenten elektronischen Unterhaltungsmedien – und die Umwelt ist weniger kindgerecht als damals oder noch früher. Und die Ansprüche an kindgerechter – und das heißt auch: gewaltverzichtender – Kommunikation haben sich erhöht. (Und da geht es nicht nur um die verbale Kommunikation! Kommunikation ist im kybernetischen Sinn alles, was einen beeinflusst – etwa auch die Umweltgestaltung.)
Redakteurin Stajic betont, dass Kindergärten für die soziale Entwicklung wichtig sind. Stimmt – vor allem für Einzelkinder. Viel wichtiger sind sie aber als mögliches Korrektiv für heimatliche Erziehungsfehler – und genau deswegen glorifizieren diejenigen, die diesen Einblick scheuen, das Idyll vom Mütterlein samt Kinderlein. Dabei wären gerade die PrimärpädagogInnen wichtige Auskunftspersonen bei Erziehungsproblemen – denn gerade sie kennen die Herausforderung an Gelassenheit, wenn man „es nicht mehr aushält“ bei multiplizierten Kinderzahlen … und haben dazu die Möglichkeit, sich laufend fort- und weiterzubilden.
Die leider übliche Verwendung des Wortes Betreuung beweist die leider ebenso übliche Missachtung der Primärpädagogik.
Ich schlage vor, dass der Österreichische Dachverband der Kinder- und HortpädagogInnen (ÖDKH) beim ORF vorstellig wird, sie mögen eine Serie produzieren, in der Primärpädagogik mit allen Herausforderungen und Konflikten so dargestellt wird, dass man auch erfährt, wie die pädagogische Arbeit konzipiert und realisiert wird – und wie die Belastungen – und da gibt es viele, von Besserwissern, schwierigen Eltern, Nachbarn, Bürgermeistern bis zu Dokumentationspflichten – bewältigt werden.
Wär ja mal was anderes – nicht nur Polizisten, Förster oder Pfarrer …