Was mir immer wieder auffällt: Wenn ich in einem Seminar oder einer Gruppe zu einem bestimmten Thema – z. B. Konkurrenz – arbeite, findet genau das während der Arbeit statt. Ich nenne das einen „Parallelprozess“.
Susanne Wiesinger, die ehemalige „rote“ Lehrergewerkschafterin, wurde auf Grund ihres Erstlingsbuchs über den „Kulturkampf im Klassenzimmer“ in die Höhen des Bildungsministeriums berufen – als „Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte“ – und genau diese haben sie dort selbst erreicht. (Der Standard, 21. 01. 2020, Seite 2.)
Nun kann man darüber diskutieren, ob sie ihrem Arbeitgeber gegenüber illoyal war, als Beamtin mit ihrem Zweitbuch „Machtkampf im Ministerium“ ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gebrochen hat – oder auch nur eine Turbo-PR für dieses Buch initiieren wollte (oder ihren Verlag, der schon mit seinem Namen quo vadis veritas wohl seine Aufdeckerqualität signalisieren will). Am Inhalt kann es nicht gelegen sein – denn auch wenn ich diesen nur aus den Medien erfahren habe, habe ich nichts Neues erfahren (hab ja selber 2007 und 2009 meine Lehrer-Studien in Buchform veröffentlicht s. www.perner.info – Publizistik / Bücher). Z. B. den vorauseilenden Politgehorsam hat schon Erwin Ringel (1921–1994), der „Psychiater der Österreichischen Seele“, immer wieder kritisch hervorgehoben.
Ich lege mein Augenmerk auf Werte und Kultur. Von Herbert Pietschmann (* 1936), dem emeritierten Professor für Theoretische Physik an der Universität Wien, stammt der Ausspruch, man erkenne die Reife einer Kultur an ihrem Umgang mit dem Widerspruch – also dem, was ganz anders ist als man selbst. Widerspruch beinhaltet „sprechen“ – und zwar mit der Person, mit der man im Konflikt steht, oder im Protest oder auch in Angst.
Darin sehe ich einen „Kulturkonflikt“ – und eine Wertefrage: Was ist das höherwertige Gut? Wahrheit schaffen oder Selbstschutz – wohl wissend, dass Wahrheit immer subjektiv ist, solange sich nicht die Mehrheit auf die gleiche Sichtweise geeinigt hat (und auch das kann kollektive Lüge sein – wie die Geschichte des vorigen Jahrhunderts in Deutschland und Russland oder des gegenwärtigen in Brasilien oder China beweist). Außerdem ist mir als u. a. auch Juristin nur zu bewusst, dass man alles „Innovative“, egal ob es vernünftig ist oder absurd, in Gesetzesrang heben kann – nicht nur nach absolutistischen Oktroys oder aber Revolutionen von unten, sondern dass Recht auch auf Weiterentwicklungen hinstrebt (ich erinnere an die Entkriminalisierungen wie auch Verschärfungen im Sexualstrafrecht) … und da sehe ich uns global am Beginn einer Evolution, die zumindest ethische Diskussionen (wenn schon nicht gleich Reaktionen) erfordert: Da denke ich nicht nur an Phänomene wie Klimawandel, Abholzung des Regenwaldes etc. oder Massen-Seenot, die bereits medial bearbeitet werden, oder künstliche Wasserverknappung durch Fracking in Australien, was totgeschwiegen wird, wie auch der Femizid an Mädchen und Frauen in Indien – und eben auch die Fragen von Schweigepflichten.