Warum bleiben Frauen bei gewalttätigen Partnern, wurde ich in einem Facebook-Kommentar gefragt.
Robin Norwood (* 1945), US-amerikanische Ehetherapeutin und Autorin des Longsellers „Wenn Frauen zu sehr lieben“ samt Nachfolgebüchern (Robin Norwood – Wikipedia) meint, dass sie durch gewalttätige Väter „konditioniert“ werden, Gewalt als normal zu betrachten. Und in dem Film „Die Macht der Männer ist die Geduld der Frauen“, der in den 1980er Jahren in Frauengruppen zur „Dekonditionierung“ eingesetzt wurde, lässt sich die Hauptdarstellerin immer wieder durch Entschuldigungsgejammer und Besserungsversprechungen vom Verlassen abhalten – bis sie von Sozialarbeiterinnen bei der schwierigen „Entwurzelung“ unterstützt wird.
Ich selbst als Psychoanalytikerin sehe die Auflösung destruktiver Verbindungen komplex – d. h. aus vielen Bausteinen aufgebaut – und konzentriere mich daher immer schon auch auf prägende biographische Erfahrungen wie ebenso auf die gegenwärtigen Ressourcen (wie beispielsweise Zufluchtsorte, Helferpersonen, Selbsterhaltungsfähigkeit etc.) aber vor allem: auf den Druck der Familien.
Ich habe zu oft erlebt, wie die Schwiegermütter alles daran gesetzt haben, dass die Frau den Mann „behält“ – damit er nur ja nicht zu ihr zurück kehrt, oder die eigenen Mütter, selbst vielfache Opfer von häuslicher Gewalt, permanent suggerierten, da könne man nichts machen, Männer seien halt so. Und genau deswegen sind alle Männer, die nicht „so“ sind und die Gewalt gegen Frauen entschieden ablehnen – was mir vor allem bei Vätern von Töchtern auffällt – aufgefordert, sich immer und überall deutlich gegen diese Unholde zu stellen – auch wenn diese Machtpositionen innehaben, und nicht nur bei sexuellen Belästigungen (denn das kann auch nur im Sinne von Nietzsches „Genealogie der Gewalt“ als Konkurrenztaktik zur Ausschaltung übermächtiger Rivalen gedeutet werden).
Mit Liebe hat das alles wenig zu tun, finde ich – sondern mit Abhängigkeit: finanzieller, sozialer, auch emotionaler, nämlich Angst vor den noch nicht bekannten Folgen. Da werden lieber die bekannten Folgen ertragen und Selbstberuhigung betrieben: „Er hat halt eine raue Schale, aber darin verborgen ist ein guter Kern!“. In der Psychoanalyse spricht man hier von der „Abwehrform“ des „Verkehrens ins Gegenteil“.
Vergangenen Montag zeigte ARTE den Bankraub-Film „Rififi“ aus 1955 (Rififi – Wikipedia), und da ich diesen Filmklassiker noch nie gesehen hatte, wollte ich ihn unbedingt sehen. Dabei fiel mir eine Szene auf, in der „Louise“ über ihren Mann „Jo den Schweden“ selbstanklagend sagte, sie hätte es eben nicht geschafft, ihn vom Verbrechertum abzuhalten.
Genau diese Wortkombination „hätte es nicht geschafft“ habe ich von unzähligen Klientinnen gehört: Sie hätten es nicht geschafft, den Mann von Drogenmissbrauch, Spielsucht, riskantem Autofahren etc. abzuhalten – und vom Prügeln. Genau durch dieses Schuldaufladen auf die Partnerin bei gleichzeitigem Aufrechterhalten eines „akzeptierenden“ Umgangs, selbst wenn die blaugeschlagenen Augen der Frau die „Parzival“-Frage („Was ist dir denn passiert?“) dringend erfordern. Wenn man aber so tut, als ob der Mann keine Probleme hätte oder machte, wähnen viele Frauen, sie könnten quasi als Märtyrerinnen der Liebe Reue und Wiedergutmachung samt nachfolgendem Wohlverhalten hervorrufen. Aber wie soll eine Laiin etwas „schaffen“, was außerhalb ihrer Macht liegt, und an dem sich durch jahrelange Ausbildungen und Praxis spezialisierte Fachleute „die Zähne ausbeißen“, sofern sie nicht den Mut zur Wahrheit haben, dass nur Selbsterkenntnis und Selbstkorrektur etwas verändert? Und das gilt auch für alle, die unter Tätern leiden: Sie entscheiden, wann, wo und wie sie Grenzen setzen wollen und mit wessen Unterstützung (Nachbarn, Interventionsstellen, Polizei …), und dazu sind wir alle aufgefordert.