Die einfachste Antwort wäre: Dann, wenn er oder sie sich als solche/r empfindet und definiert. Das wäre dann Selbstbestimmung. Tatsächlich wird aber unter dem Vorwand, man müsse eine objektive Begriffsbestimmung besitzen, fremdbestimmt. Dabei gibt es keine Objektivität — es gibt nur subjektive Bewusstseinsinhalte, die eine Gemeinschaft als allgemein verbindlich anerkannt und erklärt hat.
In meiner Jugend wurden unverheiratete Frauen immer als Fräulein angesprochen, egal wie alt sie waren. Das 60jährige „Fräulein Lehrer“ (üblicherweise männliche Sprachform, auch von den Betroffenen selbst unter „Verleugnung“ ihres Geschlechts so verwendet, die Gender-Wissenschaft gab es damals ja noch nicht!) war dabei die „lächerliche Figur“ in etlichen Filmen und leider auch in der Alltagskommunikation. In den 1980er Jahren wurde dann diese Anrede abgeschafft: Einerseits, weil Frauenpolitikerinnen nicht wollten, dass der Beziehungsstatus quasi wie eine Etikettierung publik sein und zu Diskriminierungen (oder Anmache) Anlass geben sollte, andererseits weil es kein männliches Pendant dazu gab. Ein Mann war ein Mann, egal ob verheiratet oder nicht — eine Frau hingegen wurde erst durch Verehelichung zur Frau. Nur im Dritten Reich wurden auch unehelichen Müttern diese „Ehre“ zuteil, danach wurden sie wieder als „Sünderinnen“ abgewertet.
Ich erinnere mich an gelegentliche Umfragen in Medien, meist bei sogenannten Prominenten, wann nun ein Mann ein Mann wäre, und da wurde der häufig erste Geschlechtsverkehr mit einer Frau genannt — was nichts besagt. So arbeitete ich einst als Psychotherapeutin mit einem sehr unmännlich, gar kindlich wirkenden Twen, der seit seinem zehnten Lebensjahr Geschlechtsverkehr mit seiner zwei Jahre älteren Schwester praktizierte. Auch Aussagen wie „ein Haus gebaut, einen Baum gepflanzt (oder einen Sohn gezeugt) und ein Buch geschrieben“ besagen mehr über Stolz und Rivalitäten des Mannes, der solche Behauptungen aufstellt. Aber auch für Frauen gibt es diesen Mythos. So singt Francis Jordi in ihrem Lied „Tanz, Alexis, tanz“: „Spät am nächsten Morgen bin ich erwacht — die Sonne stand schon hoch im blau … Gestern noch ein Mädchen — welch ein Gefühl! — heut‘ bin ich endlich eine Frau!“ — aber singt von Liebe „Ich spür die Liebe und den Wein …“
Es ist wohl Liebe: Wirklich zu lieben, ohne zu besitzen, so ich-stark zu sein, dass man den anderen (oder sonst irgendetwas) nicht als Ego-Krücke braucht, sondern nur lieben will, und ansonsten seinen Job macht als Beitrag zum großen Ganzen, das wir miteinander bilden, was Erwachsen-Sein bedeutet.