Dass bei Fußballmatches oft abenteuerliche Fouls zu beobachten sind, die eher zum Catch as catch can passen als zu einem „professionellen“ Sport (d. h. nach Regeln und mit einem Schiedsrichter der abpfeift, wenns zu arg wird), kann als bekannt voraus gesetzt werden. Diese physischen Fouls hat Box-Legende Cassius Clay alias Muhammad Ali (1942–2016) durch psychische ersetzt: Den Gegner umtänzelnd beschimpfte er ihn und schwächte so gezielt dessen Immunsystem. Genau so wird auch in Wahlkämpfen gerne treffsicher gefoult. (Ich schreibe bewusst „gerne“, weil ich selbst in meiner Zeit als Kommunalpolitikerin und Mitglied in vielen übergeordneten Gremien erlebt habe, wie sehr sich manche Männer – Frauen hingegen nie – an dem Aushecken solcher Taktiken – und auch am erhofften Applaus ihrer Claqueure – delektiert haben.)

Deswegen finde ich es auch extrem unfair, wenn der NEOS-Abgeordnete Sepp Schellhorn – gleisnerisch: ohne ihr „die Kompetenz abzusprechen“ – die 2004 nach dem Wechsel von Liese Prokop ins Innenministerium als Quereinsteigerin in die niederösterreichische Landesregierung berufene, zuletzt seit 2009 Wirtschaftslandesrätin, Dr. Petra Bohuslav als „Politbesetzung“ abzuqualifizieren versucht (https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191220_OTS0124/neos-zu-postenbesetzungen-im-kulturbereich). Offensichtlich kennt er (Jahrgang 1967, seit 2014 im Nationalrat) ihre (Jahrgang 1965) Berufsbiographie nicht oder will sie nicht kennen, obwohl es da einige Berührungspunkte gäbe: Wo er, gelernter Hotelier, aber auch als deklarierter Thomas-Bernhard-Fan vorher nur privat, jetzt als Vorsitzender des parlamentarischen Kulturausschusses kunst-affin ist (und da offensichtlich PR-Bedarf ortet), verfügte die promovierte Wirtschaftswissenschafterin nebst Auslandserfahrungen (USA, Dänemark) jahrelange Praxis im Management im Verkehrswesen, siehe da auch im Hotelwesen und Tourismusbereich (!) sowie viel Erfolg im kaufmännischen Leiten von Kulturinstitutionen, und auch sie setzte nicht nur als Landesrätin für Arbeit und Soziales (!), Sport und Kultur sondern so nebenher Initiativen im Kulturbereich. Warum bezweifelt er, dass sie wirklich die „bestqualifizierte“ war (wo man gerade von ihr zu Recht erwarten kann, dass sie kaufmännische Interessen mit Arbeits- und Sozialbedacht verbinden wird!)? Warum unterstellt er, dass sie „weggelobt“ werde? Kann er sich nicht vorstellen, dass eine Frau, die schon bisher immer wieder gerne neue Aufgaben übernommen hat, die Herausforderung der kaufmännischen Direktion der Wiener Staatsoper reizt und von sich aus bewirbt? Und dass in Niederösterreich viele trauern, wenn sie – auch als Frauenvorsitzende, die für diese vieles an beruflicher Unterstützung initiiert hat – die Tagespolitik verlässt?

Warum stellte er solche Überlegungen bei Dr. Bogdan Roscic (Jahrgang 1964) nicht an, der zwar viel Erfahrung im Musikjournalismus und Management von Musikkonzernen hat, aber nicht in der künstlerischen Leitung eines „darstellenden“ Kulturbetriebs (wie sie Dominique Meyer sehr wohl mitbrachte)?

Dabei zeigt der aktuelle Stand der Managementforschung, dass nicht einseitiges Expertentum die nötigen Innovationen im internationalen Wettbewerb hervorbringt und fördert, sondern der möglichst große Überblick und die Fähigkeit, aus diesem heraus Nischen und Nischenbegabungen zu entdecken. Also warum nicht eine Frau „im gleichen Spielfeld“ mit der gleichen Fairness behandeln wie einen Mann? (Wobei Roscic ja auch Erfahrungen mit Unfairness ertragen musste, siehe der missglückte Versuche, ihn als Plagiator zu diskriminieren – aber das war in einem anderen „Feld“.)

Aber vielleicht ist es lediglich der – tiefenpsychologisch gedeutet – „Gebärneid“ mancher Männer, der auftaucht, wenn eine Frau ein berufliches Kind – die Staatsoper – wirtschaftlich (an)leiten darf, also als „Mutter“ eine quasi finanzstarke Vaterrolle übernimmt?