In dem Monumentaldrama „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus (1874–1936), das sich weitgehend auf tatsächliche Zitate stützt, gibt es einige Passagen, in denen die Volkes-Stimme („Menge“) mit Hetz- und Vernichtungsparolen laut wird, aber gleich darauf in ein „Loßts es gehn! Mir san net aso …“ kippt (z. B. im 1. Akt, 1. Szene).
Daran muss ich denken, wenn jetzt – nach den auffällig kurz nacheinander auftretenden angeblichen Gebrechen an der Ostsee Pipeline Nord Stream 1 – die um die Unveränderlichkeit ihres Lebensstandards Besorgten von der Billigung der Sanktionen gegen Russland Abstand nehmen. (Hatte ursprünglich „abrücken“ geschrieben, dies aber wegen des darin kaum erkennbaren Militärausdrucks verworfen. Dazu ein Hinweis: Ich lese derzeit das unbedingt empfehlenswerte Buch „Verbrannte Wörter. Wo wir noch reden wie die Nazis – und wo nicht“ von Matthias Heine, Dudenverlag, Berlin 2019.)
Dabei war eigentlich von Anfang an damit zu rechnen, dass Russland nach Wirtschaftssanktionen mit gleicher „Waffe“ zurückschlagen wird – aber offenbar wurde nicht so weit vorausgedacht. Und genau das kann – und sollte – man lernen. Deswegen plädiere ich für die Propagierung strategischer Spiele in Schulen.
Derzeit – zu Schulbeginn – häufen sich in den Zeitungen die „guten Ratschläge“ von Personen, die vermutlich nie in einer Klasse gestanden sind – außer vielleicht als Promi-Autoren – und daher auch nie den Auftrag zu erfüllen hatten, alleinverantwortlich Ruhe und Aufmerksamkeit herzustellen und einen nachhaltigen Lernerfolg (!) zu erzielen. Es freut mich immer, wenn manche von ihnen zumindest die Wichtigkeit von „musischem Unterricht“ anerkennen (auch wenn sie selbst keine Praktizierenden sind): Er kann nicht nur den Umgang mit Gefühlen förderlich erweitern, sondern bildet im Kultur produzierenden und exportierenden Land Österreich einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor. Dazu zählen beispielsweise auch die unter „Schulspiel“ summierbaren Aktivitäten.
Was meiner Beobachtung nach kaum erwähnt wird, ist die Wichtigkeit strategischer Spiele. Das schreibe ich nicht nur, weil ich eine leidenschaftliche Go-Spielerin war (ehe mir die dafür nötige Zeit abhanden kam), sondern weil ich noch in Erinnerung habe, wie wenig Unterstützung Lehrkräfte bekamen, die Schach einen Dauerplatz im Schulunterricht einräumen wollten. (Irgendwo in meinem Rechner muss es dazu eine Korrespondenz mit einem Lehrer aus dem Waldviertel geben.)
Das Wesentliche bei den strategischen Spielen besteht ja darin, mehrere „Züge“ – und vor allem Gegenzüge! – voraus erahnen und durchdenken zu müssen. Bei Go kommt dann noch dazu, das gesamte Feld im „Über-Blick“ zu behalten, denn man muss immer damit rechnen, dass der Gegenspieler nicht dort reagiert, wo man die Aufmerksamkeit (gewollt oder ungewollt) hinlenkt, sondern ganz wo anders – das Spielfeld ist ja im Gegenzug zu Schach, Halma oder Dame etc. riesig.
Da lobe ich mir die Tageszeitung derStandard, die zumindest regelmäßig Schachspielende mit Aufgabenstellungen bedient. In einer Zeit, wo strategisches Spielen fast nur mehr mit Egoshooter- oder Actiongames in Verbindung gebracht wird und nicht mehr mit höchst erfolgreichen Schach-spielenden Männern und Frauen (!) wäre dies vor allem für Personen, die bereits in jungen Jahren – denken wir an die Kindergartenträume von Ex-Bundeskanzler Gusenbauer! (SPÖ-Chef Gusenbauer: Bieder, mürrisch, siegreich – DER SPIEGEL) – Funktionen im Topmanagement oder in der Spitzenpolitik anstreben, dringend zu empfehlen. (Apropos: Gerade er – oder andere „Genossen der Bosse“ wie Gerhard Schröder oder Christian Kern – hätten, würden sie nicht primär an sich sondern mehr an die Länder, deren Kanzler sie einmal waren, denken – vielleicht frühzeitig zu erwartende Taktiken und Strategien zur Diskussion beitragen können, sofern sie sie erahnt hätten.)