Als ich in den 1990er Jahren sehr viel für die AUVA supervidierte und trainierte (vor allem am Weißen Hof, aber auch in Bad Häring in Tirol oder an den UKHs in den Landeshauptstädten), wurde ich immer damit konfrontiert, wie sehr sich die Pflegekräfte durch „gebellte“ Befehle nicht respektiert, sondern verletzt erlebten.
Besonders arg empfanden viele die ins Niemandsland gebrüllten Ein- oder Zwei-Wort-Sätze wie beispielsweise „Apotheke!“, was in korrekter Form „Bitte bringe mir jemand das Apotheken-Wagerl!“ lauten müsste – aber so viele Worte waren den Hilfsbedürftigen (denn sie konnten oder wollten sich ja nicht um die Selbstversorgung kümmern) offensichtlich niemand wert.
Ich habe damals zur Verdeutlichung den Vergleich gefunden – und in vielen meiner Bücher zitiert, letzthin in meinem neuesten Buch „Sprechen ohne zu verletzen“ auf Seite 50: Im Operationssaal darf der Chirurg (absichtlich männliche Form) „Schere! Haken! Tupfer!“ „bellen“, nicht aber in Sozialräumen „Kaffee! Zucker! Milch!“
Transaktionsanalytisch heißt dies, Agieren aus dem destruktiven Eltern-Ich-Zustand (im oben erwähnten Buch auf den Seiten 40 ff.): Man erhöht und bläht sich auf, um andere klein zu machen oder zu halten und schädigt so deren Gesundheit.
So hatte beispielsweise die Administratorin der Sammelplattform NÖ Wunderweiber gepostet, Gewerbetreibende mögen Werbung nur auf die dafür vorgesehenen Seiten stellen, und auf mein Feedback, was ginge mich das an – ich sei keine solche, mir mit einem schulmeisternden „Post lesen!“ (in dem allerdings, als ich es las, noch nicht erklärt wurde, dass es einen Versuch darstellten sollte, alle „Freundinnen“ zu erreichen), und ich habe nebst meinem Feedback, ich fände es bereichernd zu erfahren, was es da alles an Angeboten gäbe, geantwortet: „Bitte vermeiden Sie Befehlstöne“.
„Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen“, weiß der Volksmund, und so wird die sprachliche Eltern- oder Lehrergewalt von Generation zu Generation weitergegeben– und dann wundern sich die Alten, weswegen die Jungen so wenig respektvoll sind. Respekt muss man aber erbitten („Bitte behandeln Sie mich respektvoll!“) und das verändert die Kommunikation meist sofort, sogar bei Polizisten und Richtern (bewusst männliche Sprachform) – und an deren Reaktion erkennt man deren Gewaltpotenzial – ob sie nämlich die darin enthaltene diskrete Kritik annehmen können oder eben „noch eines draufsetzen“, weil sie unbedingt Sieger sein wollen.
Echte Gewalttäter:innen haben nicht gelernt, das eigene innewohnende Schaden-Zufügen zu erkennen, denn: Schuld sind immer die anderen (vor allem, wenn und weil sie sich nicht mundtot machen lassen … aber mundtot ist auch Form von tot – und, wie die Intimizide zeigen, oft die Vor-Form eines nachfolgenden Tötungsdelikts.)
Unechte Gewalttäter:innen erschrecken hingegen über die eigene Unachtsamkeit und versuchen sofort Schadensgutmachung, beispielsweise durch eine Entschuldigung. Und genau dafür braucht es Vorbilder – so viele wie möglich!