Der Verfassungsgerichtshof hat das Kopftuchverbot in Volksschulen als verfassungswidrig aufgehoben (Weltanschauliche Neutralität: VfGH hebt Kopftuchverbot auf – news.ORF.at), weil in eine beliebige Religion eingegriffen werde, und das widerspräche der weltanschaulichen Neutralität des Staates.
Religionsfreiheit umfasst nicht nur das Recht auf Ausübung der gewählten Religion (erweitert auf das Elternrecht zu religiöser Erziehung, was ich nicht unbedenklich finde, weil dadurch Kinderrechte massiv verletzt werden können, wie ich von Personen weiß, die sich z. B. von den Zeugen Jehovas trennen wollten), sondern auch das Recht ohne Negativfolgen zu bekennen. Wie man das macht, bleibt der Selbstbestimmung überlassen – aber wer ist der Träger der Selbstbestimmung? Der/die einzelne Gläubige – oder die Religionsgesellschaft? Die Gründerperson? Eine unveränderbar gesetzte Tradition? (Damit ist nur eine demonstrative Aufzählung gemeint, keine taxative!) Und: Wird das Recht auf Selbstbestimmung verletzt, wenn eine dominante Religion allen anderen Raum nimmt (z. B. an der Wand eines Klassenzimmers)?
Verbale Tradition beansprucht etwa das niceanische Glaubensbekenntnis (Bekenntnis von Nicäa – Wikipedia 325 bzw. 381 n. Chr., aber auch das kennt weitere Verbesserungen). Nonverbale Bekenntnisse sind das Kreuz oder der Davidstern oder auch die Hand der Fatima um den Hals oder die Kippah oder der Turban der Sikhs und eben auch das Kopftuch der Musliminnen analog dem Kopftuch der Katholikinnen, das in meiner Kindheit noch örtlich zumindest im Gottesdienst üblich war, nicht nur Pflicht wie im Vatikan. Oder auch das konträr konzipierte Provokations-Nudelsieb des angeblichen Pastafarianers (sagt man so?) Niko Alm. (Über Sinn und Zweck mag ich mich hier nicht auslassen – die Debatten dazu sind ohnedies hinlänglich bekannt.) Weitergedacht: auch politische Statements, ob als Button (Make love not war) oder Statement-T-Shirt … Für mich gehört das alles zur Meinungsfreiheit – Betonung auf „meines“ („So bin ich!“) – solange das Strafgesetzbuch nicht verletzt wird.
Worüber ich meine Gedanken aber auslassen möchte, ist die Form der Ausübung von Religion. Ich übersetze das lateinische Wort „religio“ nicht als Beachtung von Geboten (vgl. Religion – Wikipedia) sondern als Rückverbindung an das, was wir Gott nennen (und folge damit Spinozas Begriff der kognitiv nicht – sehr wohl aber emotional im Zustand der Liebe – erfassbaren „Substanz“ als Urgrund von Allem). Dieser – meditative – Zustand sollte geübt werden: Er bedeutet zu vertrauen – und umfassendes Vertrauen heißt für mich auch, an die eigene soziale Kreativität und Geduld (eine wichtige Form von Liebesfähigkeit). Daraus ergibt sich für mich, dass diese „religio“ im täglichen Verhalten gelebt werden kann, wie aber auch fokussiert im Gebet: Beten ist Sprechen zu Gott, heißt es ja. Und dazu gibt es derzeit eine Debatte: Gemeinsam beten im Parlament: Darf man das? | DiePresse.com.
Als Protestantin, die sich „sola scriptura“ („nur der Heiligen Schrift“) verpflichtet fühlt, zitiere ich dazu das Evangelium des Matthäus 6, 5–6, „Vom Beten“:
6: „Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließe die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.“
Vorher aber heißt es:
5: „Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.“