Rosemarie Schwaiger zitiert in ihrem Text über „Moralverkehr“ (profil 43 vom 24. Oktober 2016) wohlwollend den britischen Historiker Timothy Garton Ash mit „Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der wir jede Minute ängstlich aufpassen müssen, was wir sagen und was nicht.“
Dieser Herr gehört damit in eine Reihe mit dem zuerst Team Stronach, sodann ÖVP und nach Correctness-Problemen nunmehr „wildem“ Abgeordneten und Gynäkologen Marcus Franz, der nicht in einer Welt leben möchte, in der man(n) Frauen nicht auf das Gesäß greifen darf. Aber möglicherweise handelt es sich bei ihm „nur“ um eine sogenannte „Berufsdeformation“: Darunter versteht man, dass jemand nicht zwischen den Spielregeln im Beruf und im Privatleben unterscheiden kann – oder will.
Manche finden es „spaßíg“, andere zu „necken“ – und wollen eben nicht zur Kenntnis nehmen, dass sie damit oft Grenzen überschreiten – Grenzen des Anstands aber auch des Respekts vor der Integrität anderer. Es sind Machtspiele – und die kennen vor allem Frauen mit hohem öffentlichen Ansehen. Das wollen solche „Spaßvögel“ „präventiv“ beschädigen, um sich selbst vor Enttarnung als minderwertgeschätzt sicher zu fühlen (auch wenn das nur ihre eigene Fantasie ist).
Ich erlebe immer wieder in Therapiesitzungen, wie sehr Menschen – vor allem männliche interessanterweise – sich scheuen, ihre jeweiligen Einschätzungen direkt auszusprechen. Frauen tun sich da viel leichter – sie sind ja auch nachweislich sprachgewandter – werden aber dann meist sofort heftig kritisiert, sie wären Störenfriede (man beachte: ein männliches Wort!). Ich führe das auf mangelnde Sprachschulung, d. h. mangelnden Sprachunterricht in der Schule zurück. Es ist nicht gleich, ob man von Unmut, Ärger, Zorn, Wut oder Rage spricht! Aus diesem Grund sind auch Kreuzworträtsel zu kritisieren: Sie setzen Unterschiedliches gleich und verwischen damit Differenzen.
Sich korrekt auszudrücken ist eine Übungssache. Sie setzt voraus, präzise zu denken und die Wortwahl zu bedenken. Man muss nicht „jede Minute ängstlich aufpassen“, was man sagt, wenn man vorher bedenkt, was man sagen will und wie – und das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Aber in einer Zeit, in der sich viele unbedacht an der Brutalsprache von Actionfilmen beeinflussen lassen, braucht es wohl demonstrative Gegenmodelle – und den Mut, auf Verbesserungsbedarf hinzuweisen ohne Angst zu machen.