In einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen schreibt der staatlich hochgeförderte (z. B. 6teilige TV-Serie „M“) österreichische Filmemacher David Schalko (*1973), Bundeskanzler Sebastian Kurz habe in einer Sitzung Mitte März bedauert, dass die Bevölkerung das Covid-19 Virus noch nicht ernst genug nähme und man daher mit „drastischer“ Rhetorik Angst machen solle. (https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/sebastian-kurz-in-der-corona-krise-widerspruch-ist-zwecklos-16745743.html?GEPC=s2&fbclid=IwAR0uTJXQKAyaYYwqOQ7GHuX9gdcwcY3UU8nxiQjmNT3-Wac6XKupQ4WaPxU&premium=0x36b904adf70207be44d16d0b3dbb54ae)

Ohne jetzt die Korrektheit des zitierten Protokolls in Zweifel ziehen zu wollen – dieser Hinweis bezieht sich darauf, dass ich einige Male Opfer von Fehlformulierungen feindlicher ProtokollführerInnen war und daher gewohnheitsmäßig überkritisch bin – finde ich diese Formulierung, so sie so gesprochen wurde, nicht bloß unbedacht, sondern vor allem nicht salutogen. (Salutogen bedeutet alles, was gesund macht / als Gegenbegriff zu pathogen, also allem, was krank macht.)

Unbedacht deshalb, weil man immer damit rechnen muss, dass selbst Vertrauensleute vergessen, dass Protokolle historische Dokumente sind und man fairerweise bei problematischen Formulierungen nachfragen sollte, ob man sie wirklich so festhalten soll. (Ich habe z. B. in meinem Archiv einen „wirren“ Beitrag eines hochangesehenen Kollegen für eines meiner Bücher – und habe angenommen, dass er ihn vermutlich diktiert und unter Zeitdruck nicht korrigiert hat, deshalb habe ich ihn, wie ich meine inhaltlich wie auch sprachlich optimal, „verbessert“, weil ich fair sein wollte und nicht boshaft.)

Man muss auch damit rechnen, dass manche sogenannten Vertrauensleute – und andere umso mehr – an und für sich unwesentliche Details ausplaudern, um sich als Geheimnisträger Erster Klasse wichtig zu machen – besonders gegenüber Journalisten (oder vermuteter Konkurrenz). Auch das ist mir mehrfach widerfahren – daher versuche ich nichts mehr zu sagen / zu schreiben, wofür ich nicht bewusst bereit bin, Verantwortung zu übernehmen. Ich bin immer wieder überrascht, wie unvorsichtig „unter FreundInnen“ Intimitäten weiter erzählt werden – einfach aus Lust an der Sensation oder daran, andere in Misskredit zu bringen.

All das ist nicht salutogen: Entweder es belastet jemand anderen mit dem diskreten Inhalt, macht Mini-Stress und wird zwecks Entlastung bzw. Kumpanei weitererzählt und „Stille-Post“-mäßig entstellt. Oder es handelt sich um einen Straftatbestand – dann gehört die Information zu Polizei oder Justiz und nicht in dritte Ohren (außer in Therapie oder Beichtgespräch). Wenn es aber nur um laut gedachte Überlegungen zur Durchführung von Plänen geht, sollten Anwesende mitdenken, mitplanen und Fehler korrigieren und nicht persönliche Animosität als Vehikel zur Diskriminierung nutzen. Es ist schon arg genug, wenn Politiker versuchen, mit Permanentwahlkampftönen „in die Zeitung zu kommen“ (statt mit gut vorbereiteten Sachinhalten). Frieden geht anders.

Wenn man möchte, dass jemand sich so verhält, wie man es möchte, ist Angstmache „schwarze Pädagogik“ und die wirkt möglicherweise bei Menschen mit verletzten Seelen. Die anderen werden entweder aus Vernunft selbstbestimmt kooperieren oder aus Taktik oder Neurose (z. B. Vaterkomplex) opponieren. Die pädagogische Alternative für diejenigen, die den Ernst der Lage – noch – nicht wahrnehmen konnten oder wollten, besteht in sachlicher Klärung nicht nur der Fakten (die sich ja ändern können, das muss auch mit kommuniziert werden), sondern auch der begleitenden Emotionen.

Krisenkommunikation sollte immer entängstigen – als Salutogenese.

Angst als Warnsignal ist eine Freundin – wird sie chronisch, blockiert sie das Vernunftdenken.