Nun ist zu der Permanentberichterstattung über sexuelle Übergriffe eines – inzwischen toten – Sport- und Freizeitpädagogen eine Salzburger Lehrerin wegen „versuchten Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses“ ins Visier der Justiz geraten (Kurier, 03.12.2022, Seite 25).  Diese Versuche – besser wohl Versuchungen – beschreibt die Zeitung als Aufforderung, der 14jährige solle sich vorstellen, sie würde ihn küssen, und habe ihm auch selbst einmal im Klassenzimmer einen Zungenkuss gegeben, und sie hätte ihm Nacktfotos von sich geschickt und auch solche von ihm verlangt. Der Bericht endet mit „Die Frau, die nicht mehr unterrichtet, entschuldigte sich für ihr Verhalten“ und das Gerichtsverfahren endete mit Diversion (d. i. ein meist finanzieller Interessenausgleich).

Mich erinnerte dies an eine Klientin aus dem vorigen Jahrhundert, die genau aus diesem Motiv zu mir in Beratung bzw. Therapie kam: Sie hatte sich in einen Schüler in ähnlichem Alter verliebt – und merkte, wie sie dabei „den Kopf verlor“. Die verheiratete Frau und Mutter hatte Zwangsgedanken, wie sie sich ihm annähern könnte und erkannte, dass ihre Selbstbeherrschung immer weniger wurde. Es war also goldrichtig, sich einer psychotherapeutischen Fachkraft – die ja unter Schweigepflicht steht – anzuvertrauen und sich „aus-zu-reden“.

„Selbst-Ausdruck“ befreit – und zwar bereits der verbale.

Man muss nur die scherzhaften Worte des irischen Schriftstellers Oscar Wilde (1854–1900), „Der einzige Weg, eine Versuchung loszuwerden, ist, ihr nachzugeben.“ als seine rechtfertigende Autosuggestion entschlüsseln …

Dennoch stellt sich die Frage des Buchtitels der Kärntner Pädagogin Monika Miklautz (* 1947) „Hysterisch oder liebeskrank?“ (Ernst Reinhardt Verlag 1998). Wie wir lieben, hänge von den Erfahrungen ab, die wir mit unseren ersten Liebesobjekten, den Eltern gemacht haben, folgt sie der psychoanalytischen Sichtweise, und zitiert dazu Sigmund Freuds „zwei Typen der Objektwahl, den narzisstischen, der liebt, was er selbst ist, war oder sein möchte, und den inzestuösen oder Ablehnungstyp, der die nährende Mutter oder den schützenden Vater sucht.“ (S. 35.) Bei meiner zitierten Klientin war es der erste Typ: Sie sah sich unbewusst als quasi gleich alt, hatte auch einen kindlich agierenden Ehepartner gewählt (der sie mit seinen „drolligen“ Annäherungsversuchen nervte), und konnte nach dieser erkannten Ent-Täuschung fehlende Reifungsschritte nachholen (z. B. die Angst vor der Energie leidenschaftlich-aggressiver Sexualität überwinden).

Vor diesem Hintergrund kritisiere ich den Ruf nach Gewaltschutzkonzepten z. B. für alle Schulen und ähnliche Einrichtungen. Der einzige Gewaltschutz besteht in der emotionalen Erkenntnis und fürsorglichen Kontrolle der eigenen Gewalt – aber das gelingt nicht kognitiv (also durch schul-ähnliches Lernen), sondern nur ganzheitlich (Denken und Fühlen, körperlich Empfinden und intuitiv Erahnen in Einheit) und bedarf daher der Analyse biographischer Erfahrungen wie Sehnsüchte, Vorbilder, Abwertungen, Verletzungen, … und all dies innerhalb einer respektvollen und schützenden Beziehung. Frauen sind dazu eher bereit als Männer, leider, weil dies dem noch immer vielfach suggerierten traditionellen Männerbild des „um jeden Preis“ Durchsetzen-Müssens eigener Ziele widerspricht.