In den letzten Tagen häufen sich in meiner Facebook-Wolke die Einladungen, was und wen ich aller liken und welchen privaten Gruppen beitreten möge. (Heute waren es eine „private“ Rendi-Wagner-Fan- und eine Neunkirchner-ÖVP-Gruppe; ich werde weder die eine noch die andere verstärken).
Als ich mir im Februar 2019 aus Forschungsgründen (meine Studie über Bürgernähe in Zeiten der Digitalisierung – die Erstpräsentation wurde Corona-bedingt seit März verschoben und hoffentlich endlich Mitte November öffentlich gemacht) ein fb-Profil zulegte, bekam ich noch alle dieser Einladungen auf meinen privaten account weitergeleitet und konnte so festhalten, wer mich wozu – erfolglos – aufgefordert hat. Plötzlich hörte dies auf – und damit war mir „historischer“ Nachvollzug nicht mehr möglich.
Nun like ich nur, was ich kenne und was mich wirklich begeistert – insgesamt war es bisher sicher unter zehn Mal. Zuerst mailten mich echte Freunde aus der „linken Reichshälfte“ an, die ich wirklich lang und gut kannte – und die genau wussten, was ein Testimonial von mir wert ist, aber auch, dass ich mich mit Rücklegung meines Mandates 1987 „neutralisiert“ hatte, daher bekamen sie keines. Dann folgten immer mehr Fremde, die offensichtlich beides nicht wussten, und die bekamen keines, weil ich weder sie noch ihre Aktivitäten kannte – aber vielleicht haben die einen Messenger-Verteiler, über den alle angemailt werden, die sie da drin haben.
Es hat einige Zeit gebraucht, bis ich erkannt habe, dass Freundschaftsanfragen-annehmen von manchen so verstanden wird, als wären wir daraufhin „nah verwandt“: Sie dringen über Messenger mit Blumen und Tierbildern in mein Postfach ein – und erinnern mich damit entfernt an Stephen Kings „Misery“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Misery_(Film)) … und ich schreibe dann zurück, dass sie das bitte unterlassen sollen, weil ich meinen Messenger zum Berufsaustausch benütze und man mir wichtiges Privates über meine persönliche Homepage zukommen lassen kann (und da beantworte ich wirklich alles so schnell wie möglich).
Für mich bedeutet Freundschaftsanfrage – aktiv wie passiv – nur, dass man sich dafür interessiert, was eine andere Person quasi „ins Fenster stellt“ – mehr nicht. Dazu gebe ich gerne meine Smileys, Weiterverbreitungen oder auch Kommentare ab – und überlege die auch oft lange, und oft verzichte ich dann darauf, weil ich befürchte, jemand zu nahe zu treten bzw. missverstanden zu werden (was ich ohnedies leider nicht immer verhindern oder korrigieren kann). Als fast achtzigjähriger „Zeitzeugin“ ist es mir aber wichtig, meine Sachkenntnisse nicht zurückzuhalten – und ich bin ebenso dankbar, wenn ich irgendwo etwas sachlich Korrektes finde, das ich noch nicht kannte (ohne dass ich mich einer Gruppe „annähern“ muss) .
Während ich diese Zeilen schreibe, fällt mir das Ritual des Potlatch ein (https://de.wikipedia.org/wiki/Potlatch). Je wertvoller ein „Geschenk“ in diesem Gabenaustausch ist, desto höherrangig gelten die Schenkenden. Manche „Befreundete“ imitieren allerdings Schneewittchens Stiefmutter: Ihre appetitanregend dargebotenen „Äpfel“ geben nur ihr eigenes Seelengift weiter.