Da wurden heute abenteuerliche Geschichten aus dem Amt für Korruptionsbekämpfung publiziert (https://www.krone.at/2088709?fbclid=IwAR0hId6vhPhDwvGd8WgAEgbhfpVY71QvZwdBiTMKZp6rarwM825KwSS1CcQ): Der – bereits versetzte – Leiter soll zugegebenermaßen im Bademantel Mitarbeiter*innen schockiert haben … und was da wirklich vor sich gegangen ist und von den Kolleg*innen als sexuelle Belästigung gewertet wird, erhebt jetzt fürs erste eine Disziplinarkommission.
In den 1990er Jahren, als ich noch für viele Bereiche der Stadt Wien mein interdisziplinäres Fachwissen (als Juristin, Sozialtherapeutin, Präventionsexpertin, Gesundheitspsychologin und Mediatorin) zur Verfügung stellen durfte (ich darf es schon lange nicht mehr), hielt ich einmal auch ein Seminar zum Thema „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“ für die Wiener Verkehrsbetriebe ab. Die Teilnehmer waren ausschließlich männlich.
Am Vormittag spöttelten sie noch herum, was sie denn da sollten, das wäre doch kein Problem, sie wären alle faire Partner im Betrieb etc. Ich erklärte ihnen an Hand der Transaktionsanalyse, woran man Belästigung erkennt und wie man sie von Spielen (in der Fachsprache „games“ z. B. Flirts oder Scherzen, im Gegensatz zu „plays“, nämlich Power Plays) unterscheidet. Dann war Mittagspause und die Männer zogen sich zum „unter sich sein“ zurück. Als sie wiederkamen, waren sie verändert: Ist es sexuelle Belästigung, fragten sie, wenn einem ein Kollege ungefragt seine sexuellen Erlebnisse vom Vortrag „reindruckt“? Ja, das ist es. Entweder er will mit seiner Männlichkeit konkurrieren, den anderen subtil abwerten oder sich in seiner Selbstdarstellung nochmal begeilen … beides gehört nicht in die Arbeitszeit (dafür wird keiner bezahlt) und eigentlich nirgendwohin – außer vielleicht in eine Selbsthilfegruppe für Sexsüchtige.
Und was ist das, fragten sie: Ein Kollege kommt immer wieder nackt aus dem Duschraum und stellt sich in Schwarzenegger-Pose in den Türrahmen des Sozialraumes? Wie sie es denn empfänden, fragte ich, und „Na genauso – als Belästigung!“, sagten die Männer. „Mir reicht das Fleisch in meiner Wurstsemmel!“ witzelte einer, und „Genau das könnten sie auch ihrem Kollegen sagen“, stellte ich zur Diskussion.
Den Männern fehlten einfach Modelle, wie sie Grenzen ziehen könnten … und die Grenze liegt immer im eigenen Unmut.
Ähnliches erlebte ich einmal in einem meiner Kommunikationstrainings für die Verwaltungsakademie des Bundes: Da schilderte eine Sekretärin aus dem Landesverteidigungsressort, dass ihr Vorgesetzter immer vor ihren Augen seine Zivilkleidung mit der Uniform austauschte. Ob er denn kein eigenes Zimmer hätte, fragte ich – um nicht gleich auf Absicht hin zu fantasieren. Leider Nein, antwortete die junge Frau. Welche Alternativen ihr denn einfielen, versuchte ich sie zur „sozialen Kreativität“ zu motivieren. Vergebens – sie war von ihrer langzeitigen Ohnmacht blockiert. Wir übten damals, ihm einfach zu sagen, dass sie das als nicht „korrekt“ werte und erwarte, dass er den Weg in die Umkleideräume auf sich nähme, oder zumindest sein Vorhaben ankündige und ihr damit die Zeit lasse, aus dem Zimmer zu gehen – wenn er sie schon nicht darum ersuchen wolle.
Ich finde es gut, dass endlich auch medial in Frage gestellt wird, was sich manche Männer bei solchen „Inszenierungen“ denken – oder eben nicht denken, und solche Realitäten aufgezeigt werden – nicht nur Fiktionen wie Demi Moores Verführungsversuche im Film „Enthüllung“.