Es werde nun geprüft, ob die Mutter des 24jährigen, der seine Ex-Freundin in seiner Wohnung eingesperrt und schwerstens misshandelt hat, sie vorsätzlich dorthin gelockt habe oder ob sie zwischen den beiden „vermitteln“ wollte (https://www.krone.at/2114345?fbclid=IwAR3q611-HEfyxyD18LtkmmXv41BC3vb8irh3GGVLotU4naTYVn7yf16mL-o). Und sie wäre auf freiem Fuß (wohl als möglicherweise Mittäterin) angezeigt worden.
Diese Zeitungsmeldung ist wieder einmal ein Beispiel für verwirrende Formulierungen (möglicherweise seitens der Polizei – aber das müsste dann Journalisten auffallen und sie wäre nachzufragen). Ein Zusatzkasten zur Klärung wäre in solchen Fällen angesagt (eine alte Forderung von mir).
Vorsatz bedeutet im juristischen Sinn, ein strafrechtlich relevantes Ziel zu verfolgen – in diesem Fall die Misshandlungen – sonst wäre es nur Fahrlässigkeit; die besteht darin, mögliche Gefahren wie eben Straftaten oder andere Schadensfolgen nicht bedacht zu haben, und dabei wird zwischen leichter und grober unterschieden. Nun war der junge Mann bereits amtsbekannt, es bestand auch eine Wegweisung, lese ich in den Medien – also ist zu vermuten, dass die Mutter, wenn sie wirklich „nur vermitteln“ d. h. Gelegenheit zu einer Aussprache herbeiführen wollte, zumindest mit einem Gewaltausbruch ihres Sohnes hätte rechnen können bzw. müssen. Sie hätte dann mit ihrer „präventiven“ Anwesenheit verhindern müssen, dass es zu einer Straftat kommt.
Vorsatz hingegen würde bedeuten, dass die Mutter mit ihrem Sohn beispielsweise in der Zielsetzung übereinstimmt, die Ex-Freundin müsse physisch bestraft werden – oder, wie es vielfach vorkommt, es aus eigener Erfahrung „Das ist halt so …“ ganz in Ordnung findet, wenn Frauen verprügelt werden.
Es gibt aber noch zwei andere unbeachtete Motive, deren Vorhandensein ich vor allem erfuhr, wenn Frauen Beratung suchten, weil der Sohn (oder Bruder, Ehemann, Vater etc.) sich an einem Kind vergriffen hatte: Das eine ist Abwehr. „Verleugnung“, nämlich vor sich selbst, heißt das in der psychoanalytischen Fachsprache. „Er doch nicht!“ habe sie gedacht, sagte mir eine Psychologin in der Supervision, als ihr ihre erwachsene Tochter nach der Scheidung der Eltern erstmals von den jahrelangen sexuellen Misshandlungen des Vaters berichtete, und sie sich erinnerte, dass es vor Jahren im Sommerurlaub den Verdacht gegeben hatte, er hätte sich einem Nachbarsmädchen „unsittlich“ (welche Verharmlosung!) genähert. Genau diesen Satz habe ich unzählige Male gehört und gemerkt: Die schockierende Wahrheit anzuerkennen würde das gesamte Weltbild dieser Frauen zum Zusammenbrechen bringen, es müsste daher in kleinen Schritten aus dem „Dunkel“ der Unkenntnis der Schattenseite eines Menschen herausgeschält und gleichzeitig vermittelt werden, wie man „tun“ muss um den Schock auszuhalten. (Hab ich in meinem Buch „Aufrichten!“ beschrieben.) Tatsächlich versuchen aber manche Menschen durch verdammende „Abgrenzung“ samt Schuldsuche bei der Mutter zu verdeutlichen, dass sie selbst „nicht so sind“.
Das zweite Motiv ist – Angst. Angst vor der Gewalttätigkeit dieser Männer, die mit physischen Drohungen das Verhalten der Mutter (Großmutter, Frau), manchmal aber selten auch des Vaters, bestimmen wollen (wobei es oft um Gelderpressung geht) und sich dann darauf ausreden, sie hätten nur „Nachdruck ausüben“ wollen, wenn plötzlich jemand Schwerverletzter oder Toter daliegt.
Das Strafrecht hat immer vor allem Appellcharakter: Es macht deutlich, was wir, die Gesellschaft, nicht wollen, und es zeigt mit zeitlich ansteigenden Strafdrohungen, wie schwer die innewohnenden Gebotsverletzungen bewertet werden. Man sollte diese nicht aus parteipolitischen Gründen oder ideologischer Hoffnung auf Resozialisierung verteufeln. Resozialisieren kann man einen Menschen nur, wenn er vorher sozial war – andernfalls braucht es Psychotherapie.