In Joh 8:32 heißt es: „… und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“

Derzeit belastet ein neues Gutachten über den „eigenartigen“ Umgang von Ex-Papst Benedikt XVI, damals noch Joseph Ratzinger und Erzbischof von München und Freising, neuerlich die römisch-katholische Kirche (Missbrauchsgutachten belastet emeritierten Papst Benedikt XVI. – Kirche – derStandard.at › International). Dass dazumal der Schutz der Institution wichtiger war als der Schutz von Kindern und Jugendlichen, kann als hinlänglich bekannt vorausgesetzt werden (und ich habe dazu mein Buch „Missbrauch: Kirche – Täter – Opfer“, LIT Verlag 2010, herausgebracht, und überlege derzeit, mein älteres, vergriffenes Buch aus 2006, „Die Wahrheit wird euch frei machen – Sexuelle Gewalt im kirchlichen Bereich … und anderswo. Prävention – Behandlung – Heilung“ als Taschenbuch neu aufzulegen).

Worauf ich jetzt aber aufmerksam machen möchte, ist folgendes: Im Johannesevangelium spricht Jesus davon, zuerst müsse man Wahrheit „erkennen“, und erst dann wird man frei, Wahrheit zu leben. Wenn also jemand als „nur Exhibitionist“ verharmlost wird – statt als jemand, der über diese Form grenzüberschreitender Selbstvergrößerung sein Machtgefühl auf Kosten anderer steigert, zeigt dies, dass nicht einmal die Wahrheit der aktuellen Reaktionen darauf (wie auch der möglichen weiteren Folgen, aber das ist ein Bildungs-, sprich Erfahrungsproblem) erkannt (oder abgestritten) wird – und es bleibt offen, ob dies auf taktischer Verleugnung beruht oder auf neurotischer, auf Sympathie oder Apathie … oder auf Dummheit (mangelnder Bildung oder Festhalten an längst obsoleten Verteidigungsfakes).

Es ist nämlich nicht so sehr das, was man sehen kann, was schädigt – also die Handlung (außer sie zielt auf Schmerzzufügung) – sondern der „Geist“, die invasive Erregungsenergie, die während der Handlung ausgestrahlt wird; sie ist es, die meist zu Intrusionen führt (d. s. spontan wiederkehrende Zwangsgedanken und Erinnerungsbilder samt den seinerzeitigen Machtlosigkeits-, Angst-, Ekel- oder blockierten Abwehrgefühlen). Herbert Pietschmann, emeritierter Professor für Theoretische Physik an der Universität Wien, hat in seinem Buch „Energie“ (gemeinsam mit dem Kommunikationswissenschaftler Erich Hamberger, Herder 2020) genau erklärt, dass es eben nicht nur die „naturwissenschaftlich beschriebene“ Energie gibt, sondern auch eine „geistige“ – und die kann guttun oder schaden. Er nennt mit einer Wortneuschöpfung die wärmende, nährende „Energabe“, die beraubende, schwächende „Nehmergie“.

Weshalb gab es bisher keine Namen für diese Form nonverbaler Machtausübung?
Antwort: Damit sie nicht erkannt und schon gar nicht kommuniziert wird.

Aber diese geheimen Absichten wahr zu nehmen, erfordert auch den Mut, die Lügen „Ich tu das nur zu deinem Besten“ oder „Alle tun das so“ als Manipulationsversuche zu erkennen und sich von diesen und ebenso von missbrauchenden Autoritäten (angemessen!) frei zu machen, egal ob dies die Eltern sind, Noten Gebende, Strafberechtigte oder Gesetzgebende. Um das zu können, braucht man neutrale Information, nicht parteiische Interpretation – und genau deswegen reklamiere ich dies immer wieder in den Biologieunterricht hinein und Schulschauspiel zur Verfeinerung der Einfühlung in Verhaltensmuster, damit sie im Bedarfsfall erkannt werden können.