Oft genügt ein neues Wort, um bislang beschwiegene Phänomene ins Bewusstsein zu heben und damit einer „Bearbeitung“ zuzuführen. (Deswegen habe ich in meinem letzten Brief Nr. 91 passende Neuwortschöpfungen begrüßt.)
Manchmal setzen sich aber gezielt beworbene Worte im allgemeinen Sprachgebrauch durch, die semantisch falsch sind, weil es eben noch keine besseren, „treff-sicheren“, gibt. Aus diesem Blickwinkel kritisiere ich das Wort bzw. den Begriff „Femizid“, denn die Tötung von widersetzlichen Frauen geschieht nicht – so der politische Sprachgebrauch – „weil sie Frauen sind“, sondern weil sie sich zu widersetzen wagen. Deswegen spreche ich von „Hinrichtung“. (Ein ähnlich brutaler Umgang führt auch zu Gewaltattacken bei widersetzlichen Söhnen, aber diese sind meist kampftüchtiger, weil jünger, kräftiger oder auch noch nicht so alkoholbeschädigt wie ihre Väter, daher ist der Kampfausgang offen.)
Eine andere hinterfragenswürdige Formulierung ist die von der „toxischen Männlichkeit“. Toxisch bedeutet „giftig“ (für die Zukunftsfolgen) oder „durch Gift verursacht“ (für die Vergangenheitsursachen). Beide Blickrichtungen bieten nur vage wie auch relative, nicht absolut zutreffende Informationen: Schon Paracelsus wusste, „Die Dosis macht das Gift“ – und manche Menschen sind sogar immun oder zumindest resilient auch für hohe Dosen, auch wieder für beide Zeitrichtungen gemeint.
Kann „Männlichkeit“ – eine ebenso unklare Bezeichnung für eine Zuschreibung in der Bevölkerungsstatistik, eine Summe von sieben Geschlechtsmerkmalen (von denen oft das eine oder andere fehlen kann), ein Gehabe, eine Geisteshaltung, einen Stil oder auch nur einen kleinen Körperteil – für immer, für bzw. gegen alle und fix korrekterweise als giftig gekennzeichnet werden? (Natürlich kann es das, es geschieht ja auch.) Aber was konkret ist dann mit „toxisch“ gemeint? Und was wird mit dieser pointierten Bezeichnung beabsichtigt und was bewirkt? Nur einigende Zustimmung bei enttäuschten, verletzten Frauen? Oder dass sich die angesprochenen Männer ändern? Und tun sie das?
Johanna Dohnal pflegte diese Männer in ihrem trockenen Humor als Opfer von deren eigener „Testosteron-Vergiftung“ zu betiteln – ähnlich wie Betty Friedans Bestseller „The Feminine Mystique“ auf Deutsch „Der Weiblichkeitswahn“ heißt oder profil-Edelfeder Angelika Hager ihr Buch über „Retro“-Weiblichkeit „Schneewittchen-Fieber“ nannte: Alle drei Titulierungen verweisen präzise auf eine nahezu krankhafte Abweichung von dem, was „die Gesellschaft“ als psychische soziale Gesundheit versteht. Ich habe solche und noch weitere Verhaltensweisen unter meinem Buchtitel „Kaktusmenschen“ zusammengefasst, um mit dem geistigen Bild einer Kaktee die Botschaft zu vermitteln: Einen Kaktus (männlich oder weiblich) umarmt man nicht, auch wenn er noch so schön blüht – aber in sicherer Distanz kann man ihn schon da sein lassen … das gehört zum Selbstschutz und zur Selbstliebe.