„Falsches Lächeln wird trotz Maske erkannt“ war ein Bericht in den Salzburger Nachrichten (12.01.2023, S. 18) übergetitelt, und darin ging es darum, anhand von Videosequenzen mimischer Gefühlsdarstellungen durch ein Schauspielerpaar mal mit, mal ohne Gesichtsmaske herauszufinden, welche Emotionen von den Studienteilnehmer:innen erkannt werden konnten. Falsches Lächeln und Angst wurden richtig erkannt, ehrliches Lächeln, Ärger, Trauer und Ekel hingegen schlechter.

Das hat mich nicht gewundert – üblicherweise „schaut“ man bei solchen Fragestellungen und versucht kognitiv – also auf die Art, wie man in der Schule zu denken angeleitet wird – zu deuten. Denkt man aber „ganzheitlich“ wie z. B. in den tiefenpsychologischen Psychotherapien, also gleichzeitig auch körper-, gefühls- und intuitiv-wahrnehmend, „spürt“ man die Energie (z. B. Kampf- oder Verteidigungsenergie) der jeweiligen Person; dies authentisch wiederzugeben bedarf dann großer Schauspielkunst. (Der emeritierte Professor für Theoretische Physik der Universität Wien, Herbert Pietschmann, hat dies – was in den körperpsychotherapeutischen Schulen schon seit 100 Jahren gelehrt wird und in östlichen Kampftechniken viel länger – in seinem Buch „Energie“ entschlüsselt.)

Eigentlich hatte ich diese Zeitungsmeldung nicht in mein Archiv aufgenommen – und dann habe ich sie heute aus meinem Altpapierkorb wieder herausgefischt, weil ich seit gestern so oft aufgefordert wurde, ich solle mich zu dem „Interview“ – ich sage lieber präzise „Streitgespräch“ – zwischen Martin Thür und Bundeskanzler Karl Nehammer in der ZiB 2 am Mittwoch, 11.01.2023 äußern. Ich habe es mir einen Tag danach in der TV-Thek angeschaut, und: Es hat nicht meinen Qualitätskriterien entsprochen.

Als seinerzeit  „geschulte“ ehemalige Mandatarin einer politischen Partei hätte ich bei manchen Fragen anders geantwortet – da war ich enttäuscht, aber jeder Mensch hat halt einen eigenen Stil, das ist zu respektieren, und grundsätzlich finde ich es gut, wenn Politiker:innen nicht wie hypertrainierte Sprechpuppen ohne jegliches emotionales Engagement „schauspielern“, was ihnen ihre Spindoktoren vorgegeben haben, sondern menschlich reagieren. Und dass sie Verzweiflung spüren lassen, wenn eine Kommunikation schiefläuft, respektiere ich auch – ich hätte es halt direkt angesprochen.

Was mich aber sehr gestört hat, war die körpersprachlich deutliche Aggression von Martin Thür, nicht nur in seiner Mimik, sondern auch darin, dass er sogar seine Hände nicht unter Kontrolle halten konnte (er griff immer wieder umfangreich im Raum aus und „ins Revier“ des Gegenüber hinein – so fing es zumindest die Kamera ein, hätte man auch anders machen können).

In meinem letzten Buch „Sprechen ohne zu verletzen“ habe ich das am Beispiel von Muhammad Ali thematisiert: Man attackiert „den Gegner“ verbal, um seine Immunkraft zu schwächen – eine gezielte Gesundheitsschädigung (S. 69). Ein Interviewpartner sollte aber nie als „Gegner“ behandelt werden oder – wie in diesem Fall „als Kind, das seine Aufgaben nicht gemacht hat“ – so etwas steht seinen Mitbewerbern zu! – sondern als jemand, dessen Denken präsentiert wird. Korrekte Kritik sieht anders aus und hört sich anders an.

Hart fragen, ist schon OK – auch hier werden „amerikanische Vorbilder“ nachgeahmt; so erinnere ich mich noch gut an die vielfache Empörung nach dem ersten Interview dieser Art von Hans Benedikt und Peter Rabl mit Kurt Waldheim, aber das war harmlos korrekt gegenüber dem von vergangenem Mittwoch, denn die beiden behielten ihre sachliche Contenance, vor allem fielen sie Waldheim nicht andauernd ins Wort!

Ich gehe nämlich davon aus, dass die Zuseherschaft (so wie ich) vor allem an den Antworten des Interviewten interessiert sind – nicht an der (diesmal wohl unbeabsichtigten) Selbstdarstellung des Fragenden.

Ich jedenfalls habe mich während dieses Pseudo-Interviews nach Armin Wolf gesehnt. Der hätte seine Contenance nicht verloren.