In der Supervision sagte einmal ein Sozialarbeiter, seine vorgesetzte Juristin sähe Menschen wie Aktenordner, die man einfach in Regalen unterbringe. Daran musste ich denken, als ich las, dass Donald Trump die Kinder illegal Eingewanderter von ihren Eltern trenne und kaserniere – quasi als Strafe für die Eltern.

Tiefenpsychologisch könnte man vermuten, dass er sich damit versichern wolle, dass auch sein Getrenntsein von seinem Sohn Barron bei diesem keine Schäden hervorrufen könne. (Über andere Schäden, die „über-mächtige“ Väter bei ihren Söhnen auslösen können, möchte ich ein anderes Mal Beispiele bringen.)

Tatsächlich findet sich in den Biographien depressiver Menschen vielfach die Trennung von der Mutter als „Ur-Szene“ – also das auslösende Ereignis der Machtlosigkeit aus Verzweiflung des Alleinseins. Meist sind es Krankenhausaufenthalte dieser wohl wichtigsten Bezugsperson in jedes Menschen Leben. Sie ist die wichtigste selbst dann, wenn der reale Kontakt fehlt. Jeder Mensch trägt ein geistiges Mutterbild in sich – bei geistig Schwerbehinderten wissen wir es nicht, aber vermutlich ist deren Mutterbezug nur kein in Bild und Sprache neuronal verankerter, sondern ein rein körperlicher empfundener, der spontan die (aus der vorgeburtlicher Zeit) gewohnte schützende Hülle suchen lässt.

Besonders arg sind diese Psychotraumata dann, wenn die Trennung in der noch sprachlosen Kleinkindzeit erfolgt, in der die Kinder noch alles massiv verspüren und keine Abwehrformen entwickelt haben. Es war der österreichisch-amerikanische Kinderpsychiater René Spitz, der noch vor dem Zweiten Weltkrieg die „anaklitische Depression“ von Waisenkindern beschrieben hatte, die trotz bester körperlicher Versorgung und Pflege dahinsiechten, weil der Mensch eben „nicht vom Brot allein“ lebt, wie es so treffend in der Bibel heißt, sondern auch von seelischer Nahrung, von Zärtlichkeit und Liebe und wenn auch das alles fehlt, dann zumindest von individuell Wahrgenommenwerden.

Leider glauben selbst geschädigte Erwachsene, kleine Kinder würden „eh noch nichts verstehen“ und schimpfen oder machen sich lustig über seelisches Leiden. Ich selbst soll im Alter von etwa 4 Jahren in Nasswald (im Höllental im südlichen Niederösterreich, wo ein Onkel Förster war) versucht haben, bei brütender Hitze meiner Mutter nachzuklettern, die schnellen Schrittes eine Geröllhalde hinauf wanderte, dem kühlen Waldesschatten zu, und sich immer weiter von mir entfernte. Ich soll dann verzweifelt zurück geblieben sein und laut gejammert haben „Mir bricht das Herz!“ (als „doppeltes“ Lehrerskind verfügte ich märchengewohnt über einen großen Wortschatz) und die in Seh- und Hörweite beobachtenden Verwandten amüsierten sich köstlich über meine „Performance“. Das „allein Übrigbleiben“ hat sich in meinem weiteren Leben oft wiederholt. Heute kann ich mit dem Weh routiniert umgehen – aber ich spüre es jedes Mal. Deswegen will ich, dass anderen diese Schmerzen erspart bleiben.

Es war und ist nach wie vor das Ärgste, was man einem Menschen psychisch antun kann: ihn aus der sozialen Gemeinschaft auszustoßen. Früher hat man ihn dazu als vogelfrei erklärt, weit weg verbannt, ins Verließ geworfen oder zu Einzelhaft verurteilet (bei der man nach 48 Stunden psychotisch – selbst- oder fremdzerstörerisch – wird, außer vielleicht wenn man ganz tief religiös ist). Das Kindern anzutun ist reiner Seelemord.