Ein 5jähriger Bub habe eine Gleichaltrige im Kindergarten sexuell belästigt, teilt mir ein Journalist am Telefon mit und fragt, wie man mit “so etwas” umgehen sollen.
Zuerst einmal klären, was konkret vorgefallen sei, sage ich, denn sonst bleibe es der individuelle Phantasie überlassen, was manfrau sich darunter vorstelle. Er habe ihr einen Legostein in den Slip gesteckt, lautete die Antwort.
Zu meiner Kinderzeit waren es Käfer oder halb abgelutschte Zuckerln, die in die Kleidung hinein platziert wurden, erinnere ich mich. Oder Strohhalme. Gras. Legosteine gab es ja noch nicht … Zu den Höschen kam man damals auch nicht so leicht, denn “Mäderln tragen Kleiderln”. Bei Jeans geht das leichter.
Das Motiv war Bosheit, als Neckerei verteidigt. Sexuelles war da nicht drin.
Die ersten selbstpraktizierten Signale der “Erwachsenensexualität” tauchen erst mit den frühesten Sexualhormonausschüttungen auf – so gegen Ende der Volksschulzeit.
Heute muss man allerdings schon früher mit “Symptomen” rechnen, denn Kinder spielen nach, was sie sehen: Sie wollen auf diese Weise herausfinden, worum es sich handelt, weshalb Erwachsene so etwas tun – Sex praktizieren beispielsweise – und sie werden ja auch viel zu oft und zu früh mit derartigen Vor-Bildern konfrontiert. Da liegt Papas Porno noch im Videorecorder, da wird man mit SMS und Spams belästigt, da kommt man im TV auf eine Mitternachtssendung … oder man wiederholt Handlungen, die an einem/einer selbst ausgeführt worden waren … aber das herauszufinden braucht eine spezielle Befragungsform, ohne Empörung, “mit dem faden Aug”, denn sonst schweigen Kinder, weil sie erfahrungsgemäß spüren, das Gefahr von Strafe droht.
Wenn beispielsweise – ein Fall aus seiner Supervisionsgruppe – ein Klassenkamerad in der zweiten Volksschulklasse von einer Mitschülerin verlangt, sie solle sein Glied in den Mund nehmen, hat er das sicherlich irgendwo gesehen, vielleicht sogar absichtlich gezeigt (oder auch gemacht) bekommen – und das wäre bereits ein Hinweis/Nachweis von Missbrauch.
Aber auch der Onkel – ein Fall aus einer Psychotherapie – der die Hand seiner kleinen Nichte in seine Unterhose steckt, einen Furz lässt und dröhnt “Fang’ ihn!” betreibt Missbrauch – er befriedigt sein Gelüst mit Hilfe eines nichtsahnenden Kindes und behauptet, das wäre lustig. Ja für ihn vielleicht – nicht für die Kleine, der eine demütigende Ohnmachtserfahrung aufgezwungen wird (und die sich späterhin schwer wehren kann).
Empörung hilft nicht. Aufklärung schon.
Und das Anbot von sprachlichen Modellen zur Grenzziehung für die Erwachsenen, die bereit sind, Kinder zu fördern und nicht nur für ihre eigenen Bedürfnisse zuzurichten. Und dazu sind wir alle aufgerufen.