Oft seien es „harmlose Muskelverspannungen“, die Angst vor Herzinfarkt auslösten, lese ich im heutigen Kurier, aber diese ständige Anspannung wäre das Gefährliche, das zur Verengung der Herzkranzgefäße führen könne. Da orte ich eine typisch einseitig organmedizinische Sichtweise ohne Einfühlung in die Patientenschaft, und das enttäuscht mich. Ich hätte erwartet, dass auch psychosomatisches Wissen vorhanden sei und genutzt würde … denn: Es gibt keine „harmlosen“ Muskelverspannungen – sondern auch die geringste weist darauf hin, dass entweder jemand nicht sorgsam genug mit sich selbst umgegangen ist (oder ihm oder ihr das auf Grund beruflicher oder auch familiärer Notwendigkeiten nicht möglich war), oder dass es sich um eine HSP, d. h. hypersensible Person handelt, die frühzeitig bereits eine Störung wahrnimmt.
Hier von „eingebildeten Kranken“ (wie der Titel von Molieres Theaterstück) zu sprechen, mag literarische Bildung beweisen, wertschätzend ist es nicht. Ganz im Gegenteil: Es wird Patienten – zu deutsch „Leidenden“ – die subjektive Wahrnehmungskompetenz abgesprochen statt nachzuforschen, in welchen Situationen diese „Bedenken“ (hier ist die Wortwahl wichtig – wenn man gleich von Angst spricht verstärkt man sie! – aber „Gesprächsmedizin“ – eine von mir entwickelte Methode – ist leider kaum bekannt, vor allem, weil meine Versuche, sie universitär weiterzugeben, mit irrigen Phantasien, das wäre ohnedies nur ein anderes Wort für Psychotherapie, abgewehrt wurden) erstmals aufgetreten sind und – wie von der Umwelt darauf reagiert wurde. Meiner Erfahrung nach nämlich abwimmelnd bis spöttisch – und so erlebe ich den Zeitungsbericht auch.
Das erinnert mich an den „Witz“, wo ein Arzt den anderen fragt, „Was macht denn der Hypochonder auf Zimmer 5?“ und der andere antwortet: „Stell dir vor – der Simulant ist heute Nacht gestorben!“
Wenn man etwas nicht sieht, heißt das nicht, dass es nicht da ist.
Allerdings auch umgekehrt.