Stefanie Sargnagel recte Sprengnagel hat gestern ihre erste „Hetzrede“ gehalten, schreibt sie stolz auf Facebook, und sie sei aufgeregt gewesen.
Ja, Aggression erregt – und für manche Leute ist sie Ersatz für sexuelle Erregung oder ohnedies auch beides, weil erstere die Gliedaufrichtung fördern kann, wenn es an Liebe mangelt, und dazu dienen Feindbilder. Frauen beispielsweise – in Erinnerung an die schimpfende / verbietende Mutter der frühen Kindheit, wiederbelebt in den Frauen, die Gehorsam verweigern. Oder alle, die anders sind, besonders wenn sie besser sind – in Erinnerung an die Schulzeit und schimpfende / verbietende Lehrkräfte. Oder erfolgreicher. Oder mächtiger … auch wenn das nur Fantasien sind.
Joseph Goebbels hat gehetzt, Herbert Kickl tut es und jetzt Stefanie Sargnagel. Zweimal von rechts, einmal von links. Wie sich die Bilder gleichen! (Wobei ich mir bei Sargnagel nicht sicher bin, ob ihr Text nicht als Parodie verstanden sein will …?)
Sargnagels Feindbild sind Esoterik und Anthroposophie. Ob sie sich mit der wissenschaftlichen Bearbeitung dazu auseinandergesetzt hat? Vermutlich kaum. Ist auch egal – sie versteht sich als Schriftstellerin und erspart sich damit den Anspruch, ernst genommen zu werden. Das kann manfrau da ja halten wie beliebt.
Was mich bei ihrem Auftritt (Facebook) gestört, ja entsetzt hat, war etwas ganz anderes: Zu Ende ihrer Rede hat sie ihre Zuhörerschaft in bester Showbühnenmanier zum Mitsprechen aufgefordert – und die Menge hat ihr gefolgt, wie seinerzeit Joseph Goebbels bei seiner Frage „Wollt ihr den totalen Krieg?“ So einfach geht das … frei nach „Führer:in befiel, und wir folgen dir…“
Als 1996 in der Eröffnungsveranstaltung des Ersten Weltkongresses Psychotherapie im Wiener UNO-Center ein, ich glaube italienischer, Gestalttherapeut das Auditorium aufforderte, aufzustehen und bei der von ihm angesagten Übung mitzumachen, war ich aus meinem Blickwinkel die Einzige, die sitzen blieb – nicht weil ich trotzen wollte, sondern weil ich mich der unvereinbarten Suggestion entziehen wollte. (In einer Therapie hingegen hat man einen „Arbeitsvertrag“, sollte aber doch vor jeder spezifischen Intervention das Einverständnis einholen.) Ich kenne die Macht der emotionalen Ansteckung nur zu gut – und viele kennen sie aus Fußball- und anderen Sportarenen; es gibt sie aber ebenso in politischen Inszenierungen und – in religiösen. Insofern hat Stefanie Sargnagel in ihrer Rede das, was sie als Feindbild bekämpft hat, selbst kopiert – emotional Erregung übertragen, Nachdenken verhindert … auch eine Form von Esoterik.