Der ehemalige Fußballprofi und nunmehrige WM-Botschafter Khalid Salman nennt Homosexualität Sünde (WM-Botschafter nennt Homosexualität Geisteskrankheit (oe24.at)) – und das kurz vor den Gedenktagen zu den unseligen Pogromnächten des 9. und 10. November 1938: Jeder Pogrom (russisch für Verwüstung) – laut Wikipedia jeder „gewalttätige Angriff gegen Leben und Besitz einer religiösen, nationalen oder ethnischen Minderheit mit Duldung oder Unterstützung der Staatsgewalt“ – vergisst schamhaft die Attacken auf andere diverse Personen, beispielsweise anders geschlechtlich Orientierte, als es der jeweilige Staat vorschreibt.

Salman nennt Homosexualität sogar einen „geistigen Schaden“. Wieder einmal fällt mir der Satz ein, „Für den Fluss sind es die Brücken, die fließen“.

Was ist ein „geistiger Schaden“? Etwas, das den Geist – das vernünftige Denken, die Geisteshaltung, oder die Spiritualität – beschädigt? Oder die Folge eines Traumas – wie eben einer massiven oder dauerhaften Diskriminierung? Oder ist die Aussage nur eine Beschimpfung? Oder die Abwehr eigener Sehnsüchte, Verlockungen oder auch Praktiken? All diese Phantasien können noch weitergesponnen werden …

Salman hat laut den Medienberichten das Wort „haram“ gebraucht. Üblicherweise wird es als sündig übersetzt. Haram bedeutet aber viel mehr: Es entspricht unserem Wort tabu – unberührbar – und ist ambivalent, denn es lässt offen, weswegen etwas – oder jemand – nicht berührt werden darf oder soll. Der Sinn kann entweder darin liegen, dass sonst etwas Heiliges beschmutzt oder verletzt würde – oder dass man selbst angesteckt, gleichartig würde. Alles klar?

Wie ich in meinem Buch „Sein wie Gott – Von der Macht der Heiler. Priester – Psychotherapeuten – Politiker“ (Kösel, München 2003) aufgezeigt habe, waren viele Schamanen immer bigeschlechtlich oder jenseits jeglicher Geschlechtlichkeit: Sie waren männlich und weiblich zugleich oder weder-noch. In manchen Kulturen gehen ja auch „heilige“ Männer in Frauenkleidern … aber dieser Schein trügt oft. Und die „gewöhnlichen“ Leute sollen nur ja nicht wagen, selbst heilig – heil, nämlich ganz – werden zu wollen (was gelegentlich aber Paaren gelingt, die Seite an Seite alles – vor allem den Beruf – teilen, beispielsweise evangelische Pfarrerpaare).

Feindbilder werden vorgegeben: Indem man Neid schürt oder Hass auf Menschen, von denen man glaubt, dass es ihnen besser geht als einem selbst. Oder die sich etwas trauen, was man selbst nicht wagt. Oder die man nicht versteht – und auch gar nicht verstehen will. Weil sie einfach anders sind – vor allem in ihrer persönlichen Kultur. Und denen man nicht nahekommen soll.

Dann könnte man ja erkennen, dass sie sich genau so sehnen und fürchten, lieben und ärgern wie wir alle. Und manche wollen siegen und herrschen und wähnen, dass sie sich dann nicht mehr fürchten müssten – vor den Feindbildern, die sie sich selbst erfunden haben.