Der deutsch-US-amerikanische Soziologe und Psychoanalytiker Erich Fromm (1900–1980) führte in „Anatomie der Destruktivität“ eine bislang unerhörte Unterscheidung ein: Unter dem Namen „Nekrophilie“ – der bisher für den sexuellen Drang nach Geschlechtsverkehr mit Toten verwendet wurde – summierte er die Angst vor dem Lebendigen und stattdessen leidenschaftliche Hingabe an Totes wie beispielsweise Maschinen (wie Autos – oder derzeit Telekommunikationsgeräte). Während etwa diejenigen Menschen, die Lebendiges lieben – er nannte sie „Biophile“ – sich an anderen Menschen, Tieren, Blumen, Landschaften etc. erfreuen, bevorzugt es der „Nekrophile“, sie zu fotografieren und als „totes“ Bild in ein Album zu kleben (wenn überhaupt).
Daran musste ich denken, als ich las, dass zehn „Wanderbäume“, die für bessere klimatische Bedingungen in benachteiligten Wiener Stadtzonen sorgen sollten, und die Dienstag vom 5. in den 2. Bezirk „gewandert“ waren, in der Nacht zu Mittwoch umgehackt wurden – vermutlich, so die Erklärung, aus Wut, weil sie Parkplätze „besetzen“.
Das hatten wir doch schon mal? Autos gegen Bäume. Totes gegen Lebendiges. Eigenbesitz gegen Allgemeinbesitz. Prestige gegen Gesundheit, oder, um wieder mit Erich Fromm zu sprechen, Haben gegen Sein.
Was aber das eigentliche Problem aufzeigt: Man kann, darf und soll auch eine gegnerische Meinung haben – aber die gehört ausgesprochen, diskutiert und kontrovers ausgehandelt, nicht in eine Gewalttat umgesetzt (und noch dazu heimlich, also feige). Deswegen halte ich auch nicht viel von Verboten gegnerischer Denkweisen – sie sollten öffentlich diskutiert (und damit kontrollierbar) werden.
Aus diesem Blickwinkel frage ich: Woran liegt dieser Rückfall in unzivilisierte Wut? An Unwissen über die Möglichkeiten kommunaler Demokratie? An fehlender Identifikation mit dem Gemeinwesen? An mangelndem Sprachvermögen? An unbeherrschtem Machtanspruch? An Bosheit und Rachebedürfnis – also psychischer Beeinträchtigung? Oder an einem wachsenden Übermaß an Alltagsgewalt? Jedenfalls bricht hier ein Untergrund auf, der nicht bloß unter Vandalismus zu den Akten gelegt werden sollte.