14 Tage hat es gedauert, bis nach dem Martertod der 13jährigen Leonie „Sie hat alles freiwillig gemacht“ – das ewige Argument von Vergewaltigern aufgetaucht ist. Üblicherweise verfestigt es sich im Denken der vermutlichen Täter, sobald ihre Strafverteidiger – oder, besonders schlau konzipiert, eine gut medienvernetzte Verteidigerin – die Frage gestellt haben, ob die Penetration (an welcher Körperstelle auch immer) auf freier Willensäußerung gegründet war.

Die Falle dabei besteht darin, dass gefordert wird, dass eine Frau sich nach Leibeskräften massiv zu wehren hat, damit „erwiesen“ ist, dass keine Freiwilligkeit vorliegt. „Bewiesen“ ist damit aber noch lange nichts – denn üblicherweise gibt es bei diesem Kapitalverbrechen keine Zeugen – Anwesende, die keine Nothilfe leisten, sind Mittäter (wegen unterlassener Hilfeleistung).

In beeinträchtigtem Zustand, egal ob durch Drogen – Volksdroge Alkohol mitgemeint – oder massive Angst, sind alle Wehrkräfte verschwunden, die verbalen wie die körperlichen. In meinem neuen Buch „Mit Recht und Seele“ (ab 19. Juli bei mir bestellbar s. www.perner.info) erkläre ich aber auch die Phänomene Freezing – das leibseelische Erstarren – wie auch Dissoziation, das Auseinanderfallen von leiblichem Agieren und seelisch-geistigem Bewusstsein; das eine kennen manche Menschen, wenn sie über 40° Fieber hatten – das andere aus Schockzuständen bei massiven Unfällen.

In ihrem biographischen Buch „Glück gehabt!“ (Glück gehabt von Alice Sebold portofrei bei bücher.de bestellen (buecher.de)) schildert Alice Sebold ihre eigene Vergewaltigung als 18jährige Studienanfängerin – und wie sie nur überleben konnte, weil sie sich tot gestellt hatte. Der Titel des Buches (Original „Lucky!“) bezieht sich auf die Aussage des Polizisten, der sie (ziemlich unsensibel) dazu beglückwünschte – denn kurze Zeit vor ihrem Martyrium war eine Frau an gleicher Stelle missbraucht und ermordet worden. Sebold schildert aber auch den Leidensweg, den Verbrecher seiner gerechten Strafe zuzuführen, nachdem sie ihm nach einiger Zeit begegnet war – und genau dort ist anzusetzen, wenn an der Unfreiwilligkeit von vergewaltigten Frauen gezweifelt wird. Auch die Pädagogin und Sozialforscherin, heute auch Psychotherapeutin, Marion Breiter hat in ihrer Studie „Vergewaltigung – Ein Verbrechen ohne Folgen“ (Verlag für Gesellschaftskritik 1995) ausführlich aufgezeigt, wie Frauen auf der Suche nach Gerechtigkeit entwürdigt wurden – im Gegensatz zu Männern, denen ein Gleiches widerfuhr.

Eine neuerliche Studie zur Feststellung latenter Opferfeindlichkeit wäre dringend einzufordern.