Nun wird also überlegt, entnehme ich den Medien (https://www.meinbezirk.at/c-politik/scheidungen-sollen-in-oesterreich-bald-schneller-gehen_a3926964) , die „Scheidung aus Verschulden“ abzuschaffen und nur mehr einvernehmlich oder strittig („Zerrüttung“ besteht ja immer) gelten zu lassen – weil ohnedies die meisten Scheidungen einvernehmlich ablaufen.

Das finde ich nicht gut, und zwar aus mehreren Gründen: Die im zitierten Zeitungsbericht angesprochene „Schmutzwäsche“ wird sich dadurch nicht vermeiden lassen – denn sie hat weniger strategische Gründe (z. B. um Unterhalt für den „schuldlosen“ Teil „herauszuschlagen“), als viel mehr emotionale Bedürfnisse nach Wiedergutmachung des seelisch zugefügten Leids – und zwar nicht nur für die Vergangenheit sondern auch für die Zukunft. Erfahrungsgemäß verschlechtert sich für den finanziell schwächeren Teil (fast immer Frauen) nicht nur meist die materielle Lebenssituation, sondern auch die soziale: Während geschiedene Männer fast immer mit offenen Armen im (verheirateten) Freundeskreis aufgenommen werden, gilt dies für Frauen selten. Aber dies alles ließe sich durch Mediation lösen: Eine gelungene Mediation mündet in einem Vertrag – wie ich immer sag / schreibe: „Sich vertragen heißt Verträge schließen!“ – allerdings bleibt offen, ob der dann auch eingehalten wird.

Ein weiterer Grund für meine Skepsis liegt in meiner jahrzehntelangen Berufserfahrung als sowohl Juristin, Paartherapeutin und Mediatorin: Die sogenannte Einvernehmlichkeit ist oft das Ergebnis von massiven Einschüchterungen, Drohungen und Erpressungen, nicht nur des „mächtigeren“ Teils sondern auch von Seiten dessen oder auch der eigenen Familie (Großeltern!) und leider manchmal auch von Anwälten. Und ja – auch manche Mediatoren (erfahrungsgemäß männlich!) vergessen auf die in dieser Funktion geforderte Allparteilichkeit (nicht ident mit Unparteilichkeit!) und kollaborieren unverhohlen mit ihren Geschlechtsgenossen (gerade erst wieder erlebt!). Daher sollten konkretenfalls Einigungsversuche unter Kontrolle stattfinden – so wie Besuchsrechte ja auch in Besuchscafés verlegt werden können, wenn auch nur der geringste Zweifel am korrektem Verhalten besteht.

Und dann gibt es noch einen dritten Grund: Wenn jemand Geschiedener wieder heiratet, wird vom neuen Ehepartner verlangt, dass er oder sie mit Unterschrift bestätigt, dass ihm bzw. ihr das Scheidungsurteil bekannt ist. Zumindest bei meiner Heirat (ich war die zweite Ehefrau) war das so – und das ist auch gut so, denn darin stand, auf welches Wiederholungs-Risiko man sich einlässt (auch wenn man das „auf Wolke sieben“ vielleicht übersieht …). Manche Dinge müssen schwarz auf weiß festgehalten werden, damit sie nicht als „unwesentlich“ bagatellisiert werden.

Dass Verfahren vor Gericht abgekürzt werden sollen, um Personal und damit Kosten zu sparen, ist durchaus lobenswert und im Sinne aller Steuerzahlenden (hingegen nicht der scheidungsunwilligen Person). Deswegen könnte – gerade in Zeiten der Digitalisierung! – z.B. das Festhalten von Scheidungsgründen in quasi Anamnese-Bögen (so wie im Medizinbereich vor Operationen vorgeschrieben) standardisiert werden. Und eine Scheidung ist ja eigentlich auch so etwas wie eine Amputation … Da wären dann die vielen Mängel aufgelistet – wie bei der § 57 a-Überprüfungsplakette für Kraftfahrzeuge – und markiert, wo „Behebungsbedarf“ besteht. Und was den Unterhaltsbedarf – nicht „Anspruch“! – betrifft, könnte dies ein eigener Punkt in der Liste sein, zeitlich und nach Anspruchsberechtigten aufgegliedert – damit Heiratswillige wie  auch Scheidungswillige volle Kenntnis bekommen. (Die Erarbeitung solch einer § 47 ff. Ehegesetz-Überprüfung wäre übrigens eine spannende interdisziplinäre Bachelorarbeit für Jusstudierende!)