In ihrem Buch „Populismus für Anfänger – Anleitung zur Volksverführung“ (Verlag Westend, Frankfurt/Main 2017) beschreiben der langjährige Linzer Volkswirtschaftsprofessor und NLP-Lehrtrainer Walter Ötsch und die Politikwissenschaftlerin und Falter-Chefreporterin Nina Horaczek am Beispiel vieler nationaler wie auch internationaler „rechter“ Politiker:innen, wie mit subtilen Skandalisierungen die Bevölkerung in Richtung Aggression gegen deren Konkurrenten – sprachlich als „Mitbewerber“ verharmlost – um politischen Einfluss und Macht emotionalisiert wird.
Die erste Anleitung benennt das Autorenduo als „Erfinden Sie sich Ihre eigene Welt“ mit sich selbst – den „Wir“ – als den einzigen Guten und Richtigen und den „Anderen“ als den Bösen und immerzu Unrichtigen. Punkt 5 in der 18 Punkte umfassenden „Betriebsanleitung“ lautet dabei: „Gestehen Sie den ANDEREN nicht einen Funken Moral zu.“ (S. 227)
Diesen Aufbau von Feindbildern kann man immer wieder in der Geschichte (auch der Religionsgeschichte!) wahrnehmen; er ist Zeichen eines „binären Weltbilds“ sprich „Schwarz-Weiß-Denkens“ und wird zumeist als quasi unvermeidbare Naturgegebenheit verinnerlicht.
Dass auch andere Parteien oder Gesinnungsgemeinschaften als „rechte“ diese „Herrschaftstechnik“ praktizieren, kann man an den zunehmenden Beispielen der sogenannten „cancel culture“ beobachten: Man „definiert“ eine Person auf ein bestimmtes Detail ihrer Biographie, das sich zur Skandalisierung eignet, empört sich laut und wiederholt und verlangt die „damnatio memoriae“ – die Verdammung des Gedenkens, oder im Klartext: die soziale Vernichtung der Person – im Nachhinein. (Lebende werden einfach nicht mehr eingeladen, nicht mehr erwähnt, nicht mehr gegrüßt – und damit in ihrer sozialen Gesundheit massiv geschädigt – und deren Anverwandte gleich mit. Die Mobbingforschung konnte nachweisen, dass etwa ab der dritten, vierten Woche die Zielpersonen bereits psychosomatische Symptome zeigen.)
Bisher waren vor allem Denkmäler und Straßennamen Zielscheibe dieser selbstgerechten Moralistik – jetzt ist es das Dollfuß-Museum in Texingbach, das wohl kaum einer der Kritisierenden kennt (ich auch nicht), aber es geht ja auch nicht um das Museum und die Frage, ob dort Geschichtsverharmlosung betrieben oder korrigiert wurde, oder wer konkret es eingerichtet hat und auf wessen Betreiben (etwa der Angehörigen?) und mit welchem Ziel, ob es gar als quasi Sondermülldeponie der Geschichte nur die Vernichtung von Erinnerungsstücken verhindern sollte und was es da noch alles für Aspekte gäbe, die mehr über die Person aussagen, die solche Fragen aufwirft (wie ich beispielsweise, die von klein auf immer schon die Motive menschlichen Handelns verstehen wollte). Es geht nur darum, den letzten Bürgermeister zu diskreditieren – obwohl er weder für die seinerzeitige Errichtung des Museums verantwortlich ist, noch verabsäumt hat, das Zwielichtige an der Person des ehemaligen Bundeskanzlers Dollfuß einer kritischen Betrachtung zuzuführen.
Wie ich schon mehrfach schrieb und sagte: Gegen Gewalt hilft nur Öffentlichkeit – auch für vergangene Gewalttaten, und dafür zuständig sind Historikerkommissionen und allparteiliche Journalisten (unparteiisch gibt es nicht, man kann nur versuchen, bewusst auf Parteinahmen zu verzichten). Deswegen füge ich hier den folgenden Falter-Text ein Die Wunde Dollfuß – Armin Thurnher – FALTER.at um zu zeigen: Korrekt wäre gewesen, „ermorden ließ“ zu schreiben statt „der Arbeiter ermordete“ (denn der Begriff „ermorden“ erfordert ein anvisiertes menschliches Zielobjekt, das bei Beschuss eines Bauwerks in Kauf genommen, aber nicht konkretisiert wird). Das nur als Hinweis, wie schwierig es ist, korrekt zu formulieren … und auch ohne Ressentiment nicht immer gelingt.
Das zitierte Ötsch / Horaczek-Buch zeichnet sich durch eine Fülle von O-Tönen aus dem populistischen Wörterbuch aus – und eigentlich sollten diese Enttarnungen subtiler Manipulationen schon im schulischen Sprachunterricht Platz finden – und nicht nur in NLP-Seminaren für Politiker gelehrt werden. (Dazu noch eine biographische Anmerkung: Ende der 1990er Jahre hatte ich den Auftrag, den Pressefachleuten der SPÖ zwei Tage lang Grundsätze des NLP zu vermitteln; die Kollegen – meiner Erinnerung nach alles Männer – fanden diese Framings und Reframings unethisch und wollten sie nie anwenden … heute, gut 20 Jahre danach, registriere ich sehr wohl auch hier die Präsenz dieser Methoden.)