Da schrieb doch ein Anonymus an Spencer Cox (* 1975), den Gouverneur von Utah, er möge doch seinen „obszönen“ Familiennamen ändern, denn viele seien angewidert, klinge er doch wie „cock“, einem Vulgärausdruck für Penis.
Ja geht’s denn noch?
Das erinnert mich an den Spruch, der Bleistift wäre schuld an den Rechtschreibfehlern … und an den Witz, in dem der Psychiater einem Klienten Testblätter mit geometrischen Symbolen vorlegt – gerade Linie, Kreis, Raute … und nach Assoziationen (d. s. Gedankenverbindungen) fragt, und der Klient antwortet „Penis“, „Vagina“, „Vagina“ … und der Psychiater fragt, „Haben Sie beim Anblick immer nur sexuelle Fantasien?“ und der Klient antwortet empört „Was kann ich dafür, wenn Sie mir dauernd solche Schweinerein vorlegen!“
Für seine Assoziationen und Fantasien ist jedermensch allein verantwortlich – auch wenn man Ursprungsketten aufdecken kann. Wie bei realen Ketten kann man diese verlängern oder verkürzen, einzelne Teile einfügen (ich schreibe jetzt bewusst nicht „Glieder“ – ehschonwissen warum – und damit doch noch …) oder herausnehmen. Aber einem Menschen zuzumuten, einen Teil seiner Familientradition wie auch persönlichen Identität herauszunehmen, entspricht einer versuchten „Kastration“ – so wie sich die Skopzen entmannten, um rein ins Himmelreich aufzusteigen (Skopzen – Wikipedia). Oder wie in manchen Kulturen Frauen gezwungen werden, ihre Haare zu verbergen, damit Männer von ihnen nicht geschlechtlich erregt werden. Projektion heißt das in der Psychoanalyse: Man wehrt das (unerwünschte) Eigene ab und unterstellt es jemand Anderem.
In den heute modern gewordenen cancel-Forderungen, Erinnerungszeichen an Verhaltensweisen, deren man sich im Nachhinein schämt (oder aber nicht schämen will), kommentarlos zum Verschwinden zu bringen, anstatt sie zu kommentieren, orte ich ein Phänomen analog dem sogenannten Blutrausch: Man steigert sich in eine eskalierende Vernichtungslust hinein wie ein Kleinkind, das im Machtrausch – denn wo sonst hat es denn Macht? – sein Spielzeug zerstört.
Von einem Kleinkind kann man noch keine Selbstbeherrschung erwarten – die hat man durchschnittlich erst so um den 14. Geburtstag herum (und manche nie). Aber man kann erwarten, dass diejenigen sich wohlargumentiert wehren, die Historie als Gelegenheit zu Verbesserungen im Verhalten sehen – dazu gehören auch Erklärungen des Woher und Wozu – und nicht als ewige Verdammnis.
Diesen Brief widme ich dem Gedenken an den ehemaligen Bischof von Eisenstadt wie auch Graz-Seckau, Josef Schoiswohl (1901–1991), der seinen Nachnamen nicht ändern ließ.