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Freiheit der Kunst?
Soeben hat mich eine entsetzte Kultur-Expertin kontaktiert und mir das Festwochen-Plakat zu „Madame Butterfly“ gemailt – und ich bin jetzt ebenso entsetzt: Noch geschmackloser geht es wohl nicht.
Bekanntlich handelt Puccinis tragische Oper von der sexuellen Ausbeutung einer Japanerin durch einen verantwortungsscheuen amerikanischen Soldaten, der sie mit ihrem Kind im Stich lässt, heimgekehrt eine Amerikanerin heiratet und dann zurückkommt, um „seinen“ Sohn nach Amerika zu holen. (Auch das überlässt er feig seiner Ehefrau.) Butterfly suizidiert sich darauf mit dem Dolch ihres Vaters nach dem Ehrencode der Samurais: Sie begeht Harakiri – sie schlitzt sich den Bauch auf (und dabei fällt man normalerweise nach vorne).
Auf dem Plakat sieht man hingegen ein auf dem Rücken mit geöffneten blutbeschmierten Beinen hingestreckt liegendes Mädchen mit geschlossenen Augen – ob sie lebt oder tot ist, bleibt unklar, aber: Was suggeriert wird, ist, noch dazu ästhetisiert, der Zustand nach einer brutalen Vergewaltigung.
In einer Ausstellung in geschlossenen Räumen oder in einem Kunstbuch würde mich diese Darstellung nicht entsetzen – aber im öffentlichen Raum auf Plakaten?
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Vorbild Influencer?
„Influencer bewerben Junkfood für Kinder“ war am 10. Mai 2022 in den Salzburger Nachrichten zu lesen (Seite 14), und dass drei Viertel der beworbenen Produkte so ungesund sind, dass sie gegen die Werbestandards der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Kinder verstoßen. Das ergab eine Studie vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien, die auf dem Europäischen Adipositas-Kongress in Maastricht präsentiert wurde.
Dazu: Weltweit gelten 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen als übergewichtig oder adipös.
Überhaupt Influencer: Klient:innen berichten mir von Bekannten (weiblich), die ihren Beruf als Influencer:innen angäben. Geben die ihre Posts und Videos auch eindeutig als bezahlte Werbung an? Laut der oben zitierten Studie ist das nicht der Fall.
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Die Angst der Mütter
Manche sagen, der Muttertag gehört endlich abgeschafft, er sei nicht mehr zeitgemäß, weil wir ja seit den späten 1970er Jahren im Zeitalter der Elternpartnerschaft leben – und er außerdem nur dem Geschäft mit Blumen und Bonbonieren dient.
Und außerdem: Was nützt schon verlogenes Gedenken und Ehrungen, wenn nach wie vor Männer die Mütter ihrer Kinder misshandeln und ermorden – und die Männer, die das nicht tun, dazu wegschauen und schweigen?
Ich habe in meinem Eröffnungsvortrag zur Aufführung von „Stabat mater“ von Antonio Vivaldi (1678–1741) am Karfreitag, 15.04.2022, im Auditorium Grafenegg einen anderen Gedenk-Blickwinkel als den der um den gekreuzigten Sohn trauernden Mutter Maria gewählt – nämlich den der Mütter, die ihre Söhne nicht von ihren Berufungen abhalten können. (siehe Redekonzept zu –> „Den Schmerz ertragen“)
Meist so um das Alter zwischen 15 und 25, wenn sich der Nachwuchs kritisch mit der Lebensweise der Eltern und sonstigen Nächsten auseinandersetzt – und oft sehr weit auseinander – werden die Grenzen zwischen dem Alten und dem Neuen sichtbar. Das allein macht vielen schon Angst.
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Besetzungscoach statt Besetzungscouch!
Diesmal traf es den belgischen Choreografen Jan Fabre: 18 Monate Haft auf Bewährung wegen sexueller Gewalt gegen Mitglieder seiner Tanzkompanie (Der Standard, 30.04. / 01.05.2022, Seite 34).
Vom Ex-Rektor des Salzburger Mozarteums und Expräsidenten der Musikhochschule München hat man dagegen schon lange nichts mehr gehört: Laut Salzburger Nachrichten vom 19.01.2022 (Regionalteil Seite 7) hätte der Musikprofessor seine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten bereits im Jänner 2020 antreten sollen, sich aber mit Wohnortwechsel und Strafaufschubanträgen wegen gesundheitlicher Gründe immer wieder der Justiz entzogen … dabei stammte seine Erstverurteilung bereits aus 2017, die nächste aus 2018 … Nun aber lägen mehrere Sachverständigengutachten vor, die volle Haftfähigkeit bestätigen.
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Pornoschauer
Der 65jährige Tory-Abgeordnete Neil Parish hat während einer Parlamentssitzung auf seinem Smartphone Pornos geschaut (Neil Parish tritt wegen Pornokonsums im Unterhaus zurück (faz.net)) – irrtümlich, weil er eigentlich Traktoren schauen wollte; offensichtlich war er an der parlamentarischen Arbeit desinteressiert – obwohl dazu ja auch die Beobachtung der anderen Abgeordneten und möglicher Reaktionschancen zählt. Zumindest wurde uns das in den Mandatare-Schulungen der 1970er Jahre so mitgeteilt: Aufpassen wie bei einem Fußball Match!
Nachdem Parish – der Name bedeutet laut Wikipedia Pfarre, Kirchspiel, Parochie! (Parish – Wikipedia) – zugeben musste, ein zweites Mal bewusst geschaut zu haben, bot sich für die Tageszeitung Kurier am 1. Mai Gelegenheit für die Schlagzeile „Porno am Handy folgt Polit-Rücktritt“ (Seite 10).
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Privatsphäre?
Als ich in den 1970er Jahren freiberuflich für einen SPÖ-nahen Verlag arbeitete, bat mich die damalige Bundesfrauensekretärin Anna Demuth (1921–2020), ich möge doch dafür sorgen, dass sie ins Fernsehen kommen könne. Naiv und in der Medienbranche unerfahren wie ich damals noch war, rief ich daraufhin den für Innenpolitik zuständigen Redakteur an und gab dieses Ansinnen weiter. Der freundliche Journalist klärte mich in netter Weise auf, es müsse schon eine „G’schicht“ vorhanden sein – Person allein genüge nicht.
Später präzisierte dies ein anderer Medienmacher in einer Ausbildungsveranstaltung: Eine „G’schicht“ ist, wenn etwas das erste oder letzte Mal ist, oder ein Skandal – oder ein Wunder.
Nun fragte ich mich in den letzten Tagen: Ist die Verlegung des Mannes, der durch die „Zweitfamiliengründung“ mittels Vergewaltigung und Wegsperren seiner Tochter in einer unterirdischen Wohnung unter dem Keller seines Wohnhauses weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt worden war, vom Maßnahmenvollzug für geistig abnorme Rechtsbrecher in den „normalen“ Strafvollzug, aus dem der nunmehr 87jährige 2023 mittels Antrag auf bedingte Entlassung frei kommen könnte (PressReader.com – Zeitungen aus der ganzen Welt), eine „G’schicht“? Warum bringen Medien diese Nachricht?
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Verharmlosungen
Es war nicht 1987, also vor 35 Jahren, wie ich irrtümlich annahm, sondern am 26. April 1986 um 1 h 23, als die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl die westliche Welt in Schrecken versetzte (Nuklearkatastrophe von Tschernobyl – Wikipedia).
Jedes Mal am 1. Mai muss ich daran denken. Der „Tag der Arbeit“ war in diesem Jahr ein Dienstag, und mein Ehemann, Pressereferent des damaligen Umweltstadtrats von Wien, wollte mich, zu dieser Zeit Favoritner SP-Bezirksrätin und Landtagskandidatin – ohne Erklärung, daher für mich inakzeptabel – partout davon abhalten, wie gewohnt mit den Genoss:innen gemeinsam zum Rathaus zu marschieren.
Ich weiß noch genau, dass es damals nieselte und irgendwie komisch roch, denn ich zog meinen roten Lackleder-Regenmantel an – und den habe ich danach nie wieder getragen. Wegen des Geruchs. Erst viel später erzählte mir mein Ehemann, dass sein Chef – auch Favoritner Parteivorsitzender – schon vor dem Wochenende informiert war, dass die radioaktive Wolke vom Wind nach Westen geblasen werde. Offenbar war ihm das als undenklich berichtet worden – oder er wollte Panik vermeiden, weswegen er den Mai-Aufmarsch nicht abgesagt hatte. In meinem Freundeskreis dachte niemand an eine biologische Gefahr weitab der Ukraine – und die besorgten Grünbewegten wurden eher nicht ernst genommen.
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Kunstprojekte
Da las ich doch am 16. März im Kurier, „Uniform ist ein Fall für die Disziplinarbehörde“, denn der Listenchef und Drittelpartner (Baustadtrat) der neuen Ybbs-Waidhofener Stadtregierungspartei FUFU (Farblose Unabhängige Formierte Uniformierte) Martin Dowalil trat zum wiederholten Male in der Uniform der US-Marines auf, und das „unbefugte Tragen von Uniformen“ sei eben gesetzlich verboten.
Welcher Uniformen? Frage ich mich. Bei den aktuellen von Bundesheer, Polizei und anderer Berufe mit Exekutivbefugnissen ist die Gesetzesregelung klar: Niemand soll sich deren Anteil an Staatsgewalt erschleichen und andere dadurch schädigen können. Aber bei eindeutig mit einer deutlich anderen zeitlich und räumlich beschränkten und deutlich ausgewiesenen Sinngebung – wie eben hier als „Protestkunstprojekt“?
Ich erinnere mich noch genau, wie sich in den 1960er und Nachfolgejahren Unzählige über Hermann Nitsch’s (1938–2022 Hermann Nitsch – Wikipedia) „Orgien-Mysterien-Theater“ echauffierten – heute, kurz nach seinem Dahinscheiden, sind fast alle des Lobes voll – aber erst nachdem er internationale Karriere machte und dadurch der Sinn und Besinnungsanspruch seiner „Aktionen“ verdeutlicht wurde. Österreich tut sich schwer, eigene Innovationen zu ertragen, wenn sie nicht vom Ausland gutgeheißen in die Heimat zurückkehren. Nesthocker:innen werden diskriminiert.
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Interpretationen
Die Venus von Willendorf sei kein Fruchtbarkeits- oder Sexsymbol, wird aktuell als Entschlüsselung angeboten (Venus von Willendorf: Großmutter statt Sexsymbol – science.ORF.at) sondern stelle die weise alte Frau dar. Begründet wird dies auf Grund ihres Körpers – aber nicht alle alte Frauen gehen in die Breite. Auch nicht alle Schwangere.
Eine überschlanke Freundin erzählte mir einmal, ihr geschiedener Ehemann, ein Psychoanalytiker, hätte ihr auf den Kopf zugesagt: „Frauen im Alter werden entweder Kühe oder Ziegen – Du wirst eine Ziege!“ Ich replizierte darauf kühl: „Und Männer werden wohl Böcke oder Ochsen – wo verortet er sich?“ Aber schon vielsagend, dass der Psychiater Menschen mit Tieren verglich …
Ich habe vor etlichen Jahren in einem Vortrag im Haus der Regionen in Krems meiner Überzeugung Ausdruck gegeben, dass es sich bei der Willendorferin um einen Fetisch zur Bewältigung von Geburtsschmerzen handelt und dies mit der 11 cm Winzigkeit der Statuette begründet: So einen Talisman konnte eine Gebärende gut mit einer Hand umklammern.
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In memoriam Kurt Ostbahn
Peter Hiess bat mich 2003 um einen Beitrag „Ist Kurt Ostbahn sexy?“ für den Sammelband „Kurt Ostbahn: Seid‘s vuasichtig und losst‘s eich nix gfoin!“ (Niederösterreichisches Pressehaus 2004).
Ich schrieb damals:
„Die Brille, der Bart, die Schulter“
Von Zeit zu Zeit tauchen Bücher auf, in denen antike Göttergestalten herhalten müssen, um ihnen die Männer und Frauen der Gegenwart „unterzuordnen“. C. G. Jung begann mit der Klassifikation der „Archetypen“, Jean Shinoda Bolen setzte mit „Götter in jedem Mann“ – und selbstredend auch „Göttinnen in jeder Frau“ – nach. Robert Moore und Douglas Gilette reduzierten auf vier Typen – „König, Krieger, Magier, Liebhaber“ – und der Expriester John Gray nahm überhaupt nur mehr Marsmänner und Venusfrauen wahr.
In Österreich hingegen kreieren sich Originale nach Eigen-Sinn: vom stumm lächelnden WaLuLiSo über den im Böhmischen Prater brabarssierenden Baron Karl bis zur singenden Frau Maria in ihrem Kaffeehaus am Naschmarkt. Menschen wie du und ich, Menschen auf der Straße, im Park, im Domizil, Menschen, die sich was trauen.
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