Seit Jahren fordert „die Wirtschaft“ zukunftsorientiert mehr Informatik im Schulunterricht – und dass Umgang mit elektronischer Kommunikation wichtig ist, hat sich gerade in Zeiten des Lock Down bewiesen. Allerdings ist diese Verwandlung von Zukunftsorientierung zur Arbeitswelt der Gegenwart, so scheint es mir, zum Fixpunkt gekommen, anstatt für uns alle einen Anstoß zur Überprüfung und Weiterentwicklung zu geben.
Als ich zu Beginn dieses Jahrtausends an der Donau Universität zu unterrichten begann, war der Begriff des „blended learnings“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Integriertes_Lernen) für mich neu. „Wir sind eine ,flying university‘!“, sagte mir damals die Vizerektorin Ada Pellert, als sie mir den Auftrag gab, neue Studienangebote zu entwickeln, „Wir entscheiden selbst, wann wir anwesend sein müssen und wo das verzichtbar ist. Beachten Sie das beim Konzipieren Ihrer Lerninhalte!“ Heute, fast zwanzig Jahre später, weiß ich auch durch mein Altersstudium der evangelischen Fachtheologie, wie gut man e-learning in den Präsenzunterricht einbauen kann – und wie weiter ausbaufähig das ist, vor allem, weil es permanent die Kreativität aller am Lernprozess Beteiligten herausfordert. Nur: Ist dies auch gewollt?
Gerade was den Schulunterricht betrifft, besteht nach wie vor tiefes Misstrauen zwischen „linken“ und „rechten“ Fachleuten (PolitikerInnen mitgemeint): Jede Seite unterstellt der anderen mehr oder weniger geheim, historische Fakten ideologisch einzufärben, die Auszubildenden zu indoktrinieren und quasi nach eigenem Ebenbild klonen zu wollen. Allparteilichkeit – gleichmäßig wertschätzende Distanz zu allen sozialen Erscheinungsformen – ist weitgehend unbekannt. Sie ist aber Voraussetzung für den „offenen Blick“, der neue Alternativen erkennen und Kreativität entstehen lässt – und die brauchen wir zur Bewältigung der globalen Herausforderungen wie Klimawandel oder Völkerwanderung und deren Ursachen (Hunger, Armut, Krankheiten etc.).
Um kreativ zu sein, braucht man wie bei allem zuerst einmal Vorbilder, die Mut machen, sich zu erproben. Das endet aus dem Blick der Wirtschaft vielleicht bei Berechnung von Zinseszinsen (macht man das heute noch?) oder Wahrscheinlichkeiten oder im Chemieunterricht … aber der Beginn liegt immer in dem Bereich, der der Kunst vorangeht: In der Bewegung, Musik und allen sichtbaren Darstellungsformen, die außerdem Methoden zur Bewältigung psychischer Belastungen bieten – und die man auch virtuell ausüben kann, wenn man dies einmal versteht und beherrscht. Haben wir gerade jetzt beobachten können!
Namensgebungen schaffen Wirklichkeit. Deswegen ist die Bezeichnung „bildnerische Erziehung“ nicht mehr zeitgemäß weil zu autoritär – sie sollte „bildnerische Kreativität“ lauten. Vor allem aber ist der Name „Bewegung und Sport“ unzulänglich – der alte Name „Leibeserziehung“ besser und wenn man „Erziehung“ durch „Förderung“ ersetzt optimal: Dazu gehören nämlich nicht nur Vorbereitungen auf bzw. Simulierungen von Wettkämpfe/n. Mehr dazu im nächsten „Brief“ (Nr. 36).