„Dass in Frankreich die Schweigepflicht der katholischen Priester vom Staat infrage gestellt wird, veranlasst den Vatikan zu einer scharfen Reaktion.“, heißt es im Kurier vom 18. Oktober 2021 (S. 3), jedoch in Österreich gelte die Beichte weiterhin als unantastbar, wird nachfolgend beruhigt.
Naja. Da bin ich skeptisch – denn bei der durchaus gleichwertigen Verschwiegenheitspflicht der Psychotherapeut:innen gehen die Fachmeinungen auseinander. (Ich sehe das als ethisches Problem: Prinzipiell Schweigepflicht – nur wenn man ein höherwertiges Gut – Leben oder Gesundheit etwa – retten will, ist die Verantwortung für den allfälligen Bruch zu übernehmen; den Wissensdurst der Juristenschaft oder mediale Neugier zu stillen, ist aus meiner Sicht kein höherwertiges Gut.)
Als ich nach meinem 2. Pensionsantritt (der 1. freiberufliche mit 60, der 2. als Angestellte mit 65) evangelische Fachtheologie studierte, hielt ich im Rechtsseminar des Masterstudiums ein Referat dazu (man hatte mir nämlich mein Vollstudium der Rechtswissenschaften nicht angerechnet – eine klare Diskriminierung, die ich mir zwecks Konfliktvermeidung mit dem zuständigen Professor gefallen ließ; einer jüngeren Kollegin – Magistra, nicht Doktorin wie ich, hatte er es aber angerechnet! Wahrscheinlich gefiel sie ihm besser … oder er hatte Probleme, weil ich ja auch vorher Univ. Prof. war …)
Nun weiß ich natürlich, dass die Beichte im Katholischen als Sakrament gilt – aus meiner Sicht eine Fehlinterpretation: Das, was „heil“ macht, ist echte Reue, nicht der äußere Rahmen des Beichtgesprächs. Im evangelischen „seelsorgerlichen Gespräch“ wird auf den Anspruch dieser „Selbstanklage“ verzichtet – hier bietet man allein Gelegenheit zur „reinigenden“ Selbstreflexion.
Und genau um dieses Reinigen geht es – auch in der Psychotherapie, und genauso in allen Berufen, die unter Verschwiegenheitspflicht stehen: Wenn sich jemand „ausschleimt“, ist das noch lange keine Absichtserklärung für unehrenhaftes oder kriminelles Verhalten. Psychotherapeut:innen, die sich in vielen Stunden Selbsterfahrung mit ihren „dunklen“ Seelenanteilen auseinandersetzen mussten, sind sich derer meist sehr bewusst und haben sie unter wohlwollender Kontrolle (Unterdrückung wäre ja nur Aufstauung, kein Bändigen). Bei Psycholog:innen schaut das leider oft anders aus – wie bei derjenigen, die eine verzweifelte Mutter bei Gericht anzeigte, als diese in deren sogenannter Beratung hervorstieß, manchmal wünschte sie sich, dass ihre unempathische Sozialarbeiterin von einem Lastwagen überfahren würde.
Emotionale Äußerungen sollten nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben werden – denn meist sind sie nur heiße Luft, „Dampf ablassen“ wie der Volksmund formuliert, oder mehr oder weniger geglückte Scherze unter Gleichgesinnten (weiß ich aus meiner Zeit als SPÖ-Mandatarin) oder vermeintliche Bonmots, mit denen man andere Ziele verfolgt als Wohlwollen zu verbreiten (wie beispielsweise Wählerstimmen zu akquirieren).
Von Sigmund Freud stammt ein Ausspruch, in seinem – der Verschwiegenheit gewidmeten – Behandlungszimmer wäre gestattet, was draußen im Vorzimmer intolerabel wäre. Ich meine, das sollte auch für Amtsstuben gelten.