Seit Montag, 21. Dezember 2021, steht mit dem sogenannten „Bierwirt“ ein „prominenter“ des Mordes seiner Lebensgefährtin Angeklagter (es gilt, solange er nicht verurteilt ist, noch immer die Unschuldsvermutung) wieder einmal vor Gericht.
Prominent nenne ich ihn, da er bereits vor Jahren mehr oder weniger sicher als Verfasser obszöner SMS an eine Grünpolitikerin die Zeilen der Gerichtsaalberichterstattung gefüllt hat; möglicherweise wird er mit seinem Geschäfts-Namen als Prototyp der bis dato 31 Morde an ihren Partnerinnen oder Ex-Partnerinnen in die Wiener Kriminalgeschichte eingehen.
Er könne sich alkoholbedingt an nichts erinnern, baut er nun eine Entschuldigungsstrategie als vorübergehend unzurechnungsfähig auf – obwohl bekannt ist, dass er bereits kurz vor den tödlichen Schüssen auf die Mutter seiner Kinder deren Vater mit der Waffe bedroht hatte (und die sich darauf endgültig trennen wollte), und dass er unmittelbar nach der Tat nachweislich schnell (!) zwei Flaschen Schnaps trank (Mordprozess gegen Bierwirt: ,Ich war das‘: Kurier, 21.12.2021, S. 18).
In ihrem Buch „Wut“ (Kremayr & Scheriau 2014, Untertitel „Plädoyer für ein verpöntes Gefühl“ – wobei „verpönt“, abgeleitet vom lateinischen „poena“, Strafe, eigentlich „strafbar“ bedeutet, was erst im Jahrhundertgebrauch „verwaschen“ wurde), schreibt die Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner: „Wenn also die Wut uns führt und wir keinen Einfluss mehr auf sie haben, sie nicht steuern können, weil sie sich jenseits jeglicher rationalen Kontrolle austobt, kann es sich um ein ,Affektdelikt‘ im engeren Sin handeln, kann also auch ein Zustand vorliegen, bei dem keine zurechenbare Schuld vorliegt, keine Schuldfähigkeit mehr gegeben ist.“ (S. 85) Und dann beschreibt sie die dabei auftretenden Zustände und verweist dabei auf das Merkmal des Fehlens von Sicherungstendenzen, „es werden keine Flucht- oder Verdeckungsmöglichkeiten überlegt, da sich der gesamte Tatablauf ja gerade durch das Fehlen von Überlegungen im eigentlichen Sinn auszeichnet.“ und schließt mit dem Hinweis, es seien noch konstellative Faktoren wie Alkoholisierung oder Übermüdung zu beachten, die „für sich allein genommen zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung führen würden, jedoch begünstigend auf Affektaufbau und -entladung wirken“. (S. 88)
Als vom Ursprungsberuf Juristin wie auch Psychoanalytikerin bin ich jetzt sehr interessiert, ob das Gericht dem Angeklagten abnimmt, dass er bereits vor der Tat (die er ja bestätigt) im Zustand einer hohen Alkoholvergiftung war oder diese wohlkalkuliert erst nachher herbeigeführt hat. Denn ich erinnere mich sehr genau, dass Christian Broda (1916–1987), 1970–1983 Justizminister in der Alleinregierung Kreisky, „selbstverschuldete schwere Berauschung“ als Straferschwernis- und nicht Milderungsgrund gewertet wissen wollte, damit sie nicht genau letzterer Absicht wegen gezielt herbeigeführt würde.