Ein Wiener Spitalsarzt ist von einem Patienten mit einem Messer schwer verletzt worden. Der Täter war im Wartebereich gesessen, sei aufgestanden, habe zugestochen und sich danach wieder ruhig hingesetzt, war in den Medien zu erfahren (https://www.oe24.at/oesterreich/chronik/wien/Messer-Attacke-auf-Chef-Arzt-in-Wiener-Spital/388112872), und, sagt der Wiener FPÖ-Vizebürgermeister Dominik Nepp, es habe bislang 200 dokumentierte Übergriffe allein im Wiener Wilhelminenspital gegeben.

Ich habe jahrelang für die Niederösterreichische Krankenanstalten-Holding ein zweitägiges Seminar „Kritik – Beschwerde – Drohung – Attacke“ an verschiedenen Standorten abgehalten und dabei von den Kollegen und Kolleginnen unterschiedlichster Dienststellen wie auch Ausbildungen erfahren, wie sehr ihre Art der „Zuwendung“ zu den Patienten, vor allem aber ihrer Angehörigen, den Verlauf der jeweiligen Kommunikation bestimmt – und diese ist fast immer dringend verbesserungsbedürftig.

Unabhängig davon, aus welchem Anlass (z. B. einer psychischen Erkrankung) jemand massiv gewalttätig wird, haben solche Ereignisse immer noch andere Komponenten.

Erstens liegt fast immer eine unerkannte Fehlkommunikation vor – und die kann lange zurück liegen. Der richtungsweisende, aber medial eher zurückhaltende Neurophysiologe, Internist, Psychiater und Psychotherapeut Joachim Bauer beschreibt diese „Verzögerungen“ sehr fundiert in seinem Buch „Schmerzgrenze“. Ein Pflichtbuch! Was jemandes Schmerzgrenze überschreiten könnte, wird kaum angedacht – aber, wie Bauer beschreibt, für das Gehirn kann eine Verletzung des Selbstwertgefühls die gleiche Schmerzreaktion hervorrufen, wie die Verursachung einer tief gehenden stark blutenden körperlichen Wunde. Und: Fehlkommunikationen kommen oft bei Zeitmangel und Leistungsdruck zustande.

Zweitens gibt es immer Publikum – reales oder auch nur phantasiertes. Bei realer Anwesenheit von weiteren Menschen stellt sich die Frage: Haben diese „gespürt“, dass sich eine Gewalttat aufbaut? Wenn ein Gewitter kommt, spürt man das auch – weil einem irgendwann jemand auf die Anzeichen hingewiesen hat. Auch zwischenmenschliche „Gewitter“ – „dicke Luft“ – kann man spüren, wenn man darauf achtet … aber alle Form von „Achtung“ scheint seit Jahren zu schrumpfen.

Und drittens verlassen sich Angehörige von Autoritäts- wie auch Helferberufen darauf, dass sie wie im vorigen Jahrhundert einen Anspruch auf ehrfürchtige Behandlung haben – aber das war einmal. Die „BeWERTungen“ sozialer Funktionen oder Positionen haben sich total geändert. Wenn man herausfinden will, weshalb jemand missachtet wird, muss man die Missachtenden – respektvoll! nicht kritisierend! – nach ihren Gründen fragen. Vielleicht klären sie einen dann auf.