3 Demonstrationen der letzten Tage: Gegen Lukaschenko – mit der Gefahr, verhaftet und gefoltert zu werden; pro „black lives matter“ in verschiedenen Städten der USA – mit der Gefahr, von weißen Rassisten, manche Polizisten inbegriffen, erschossen zu werden; angeblich gegen Corona-Schutz-Maßnahmen in Berlin – mit polizeilich verhindertem Sturm auf das Reichstagsgebäude.
In Österreich wurde das Versammlungsrecht (Artikel 12) wie auch das Recht der freien Meinungsäußerung (Artikel 13) Kaiser Franz Joseph 1867 im Staatsgrundgesetz abgerungen und damit auch Parteigründungen ein Weg geöffnet. Das war im Metternich’schen Überwachungsstaat ein riesiger Fortschritt … und der führte 150 Jahre später dazu, dass Law-and-Order-Staatslenker diese inzwischen zu Menschenrechten erhobenen Freiheiten missachten, ja sogar auf ihre friedlich demonstrierenden Staatsbürger schießen lassen – offensichtlich haben sie Angst vor den Menschenmassen, die unter Gefährdung ihres eigenen Lebens auf die Straße gehen.
Und dann gibt es die Demonstrationen, in denen organisiert gegen Gesundheits-Schutzmaßnahmen protestiert wird – fast könnte man formulieren „No lives matter“. Zumindest die Leben derjenigen, die den teilweise absurden Verschwörungs-Narrativen abhold sind. In diesen werden vielfach diejenigen, die zu Virus Covid-19 forschen, Prävention betreiben, Erkrankte behandeln, wie auch die dazu erforderlichen Gesetze, Verordnungen und Bescheide erarbeiten, als Kryptodiktatoren verleumdet und/oder als inkompetent diskriminiert. Argumentiert wird dabei, dass man niemand kenne, der an Covid-19 gestorben sei – ein Seitenhieb auf eine Schlag-Zeile.
Ich schon. Und ich kenne aber auch einen 40jährigen Mann, der im März mit Covid-19 angesteckt wurde – ich formuliere absichtlich ohne „sich“, um die Gewaltdimension von Infektionen ersichtlich zu machen – und jetzt, fünf Monate später, noch immer schwer unter neurologischen Folgen leidet – und das finde ich viel ärger.
Ich finde den Hass auf Regierungen erschreckend, und ebenso, wie wenig breite Bevölkerungskreise über die konkrete Arbeit in Ministerien und anderen staatlichen Einrichtungen informiert sind! Wie sollten sie aber auch, wenn mediale Berichterstattung der weitgehend personbezogenen Öffenlichkeitsarbeit der Oppositionsparteien im Sinne von „Only bad news are good news“ breiten Raum einräumt, anstelle intensiv recherchierte sachliche Aufklärung zu betreiben – d. h. die unterschiedlichen Blickwinkel, Motive und Ziele klarzulegen.
Dass Oppositionspolitiker – die alle noch nie mit der Bewältigung einer Pandemie herausgefordert waren, und das noch dazu kurz nach Amtsantritt – versuchen, Regierungsverantwortliche als Versager hinzustellen, ohne konstruktive Gegenpositionen klar zu legen, sehe ich als Nachahmung von Schmäh-Politstrategien aus dem Wilden Westen – den USA. Sie entsprechen nicht dem traditionellen europäischen Standard, der nach zwei Weltkriegen dem friedlichen Zusammenhalt Vorrang geben will, und das ist gut so und sollte auch so bleiben.