Dass Händewaschen lebensrettend sein kann, wollten die Ärzte zur Zeit von Ignaz Semmelweis (1818–1865) nicht wahrhaben: Sie konnten es nicht ertragen, dass sie selbst am Tode der frisch Entbundenen schuld sein sollten, nur weil sie sich zwischen dem Sezieren von Leichen und der Versorgung der Jungmütter nicht zum Händewaschen bequemen wollten – und nannten seine Forderung nach Hygiene „spekulativen Unfug“, so wie auch heute noch immer etwas lieber als dumm oder blöd bezeichnet wird, das man selbst nicht versteht, anstatt dass man einfach nachfragt (https://de.wikipedia.org/wiki/Ignaz_Semmelweis).

Aber auch heute braucht es oft viel Kraft, andere zum  Händewaschen zu motivieren – aber warum? Tiere pflegen sich zu putzen, warum der „nackte Affe“ (so der Buchtitel des Zoologen Desmond Morris) also nicht?

Meine Großmutter mütterlicherseits fällt mir ein, die immer wieder empört davon erzählte, wie sie einmal den Teig für Semmelknödel zu mischen begann, eine ihrer drei Schwestern das Angebot aussprach, „Ich mach dir schnell die Knödel fertig – ich muss mir dann sowieso die Hände waschen!“ War es reine Ökonomie des Wassersparens – oder des Vermeidens, etwas von sich – in dem Fall die Sch(m)utzschicht – herzugeben (so wie Zweijährige Ihre Haare und Finger- und Zehennägel verteidigen, und auch ungern „etwas von sich“  ins Töpfchen abgeben wollen)?

Oder liegt es am unausgesprochenen Vorwurf des Schmutzigseins, der einen davon abhält, andere als rituelle Waschgebote einzuhalten? „Dem Reinen ist alles rein, dem Schweine ist alles Schwein“, pflegte mein Vater zu predigen – meinte damit aber seine Vorliebe für erotische Weltliteratur, Goethe und so … und vielleicht auch die Vorwürfe der „Selbstbeschmutzung“, mit der Knaben seiner Generation Angst gemacht wurde, sie könne Blindheit oder „Gehirnerweichung“ auslösen. Ich erinnere mich an einen Zeichenwitz, auf dem ein vollbesetztes Caféhaus dargestellt war, und die Damen blicken entsetzt zur Toiletten-Tür, aus der ein Mann herauskommt und über ihm blinkt eine Warnlampe mit dem Schriftzug „Hat sich nicht die Hände gewachsen!“

Ich habe einige Testpersonen gefragt, was sie meinten, weswegen manche Menschen so ungern Händewaschen und alle sagten: Aus Faulheit. Weil das Waschbecken zu weit weg ist.