Im Zweifel für den Angeklagten (Beschuldigten), lautet ein Rechtsgrundsatz, zu dem sich auch das österreichische Strafrecht bekennt. Außer die Richterschaft – die professionelle wie auch die Laienrichter_innen – tragen Scheuklappen: Links über dem Herzen und damit auf der emotionalen Körperseite heißt sie Vorurteil, rechts auf der rationellen, der Vernunftseite heißt sie Antidiskriminierung. Beide verhindern eine den Tatsachen entsprechende Gerechtigkeit – aber Justitia ist ja bekanntlich auch blind.
Ich kenne etliche Personen, die ohne Schuld verurteilt wurden – nur weil der Richter maßgebliche Zeugen nicht mehr zu Wort kommen ließ, weil er zu wissen glaubte, was diese aussagen bzw. nicht aussagen würden, oder weil sie das Gejammere der angeblich misshandelten Person für Wahrheit hielten und aus dem Gestammel des Beschuldigten schlossen, er verstricke sich in Lügen (dabei war er intellektuell minderbegabt) oder ein anderer gab als Beruf Student an – seine Identität – und vergaß, dass er teilzeit-angestellt war, worauf er sich vom Richter höhnisch sagen lassen musste: „Gehen Sie was arbeiten anstatt mit ihrem Hund spazieren zu gehen!“. Einzelfälle, gewiss – aber markante Beispiele, was nicht passieren sollte.
Jetzt ist ein 21jähriger algerischer Asylwerber vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden, weil sich Fingerabdrücke der schwer betrunkenen (2,15 Promille!) misshandelten Frau auf seiner Bierdose fanden. Ja und? Ist schon gemeinsames Biertrinken Beweis für einvernehmlichen Sex? Oder eher der Hinweis, dass die Frau nicht mehr wehrhaft war? Dass ihr vielleicht noch der letzte Rest von Selbstbestimmung genommen werden sollte? Wie weltfremd sind Richter_innen? Oder auch Strafverteidiger_innen?
Wir wissen alle: Fehlurteile gibt es, und wenn „nicht genügend Beweise“ vorliegen, gibt es eben den Freispruch „im Zweifel“ oder weil „Aussage gegen Aussage steht“.
In Deutschland gibt es spezialisierte Glaubwürdigkeitspsycholog_innen; bei uns gibt es nicht einmal Evaluierungen der kontradiktorischen Befragungen (und der – wenn die Berichte stimmen – teilweise skandalösen Suggestivfragen der Fachleute), und diese sollten bei allen Delikten, die mit Sexualität zu tun haben, Pflicht sein.
Und: Richter_innen, die in solchen Strafverfahren Urteil sprechen sollen, brauchen eine spezifische Aus-, Fort- und Weiterbildung in Sozialpsychologie und interkultureller Sexuologie (beides habe ich universitär unterrichtet – aber es ist noch viel zu tun!).
Der „gesunde Menschenverstand“ ist in unserer heutigen hochmanipulativen Mediengesellschaft nicht mehr ausreichend.
Und: Es gehört dafür legistisch vorgesorgt, dass auch freigesprochene Personen generalpräventiv spezifische Auflagen bekommen können, entsprechend dem Gleichheitsgrundsatz unserer Bundesverfassung – egal, welchen Status sie besitzen (daher auch Eltern, die ihre Kindern vernachlässigen oder misshandeln).
Wissen vorzuenthalten, ist auch eine Form von Gewalt – nämlich struktureller.