Laut Wikipedia ist Chuzpe eine „Mischung aus zielgerichteter, intelligenter Unverschämtheit, charmanter Penetranz und unwiderstehlicher Dreistigkeit“ und stamme von dem hebräischen Wort mit den Bedeutungen „Frechheit, Anmaßung, Dreistigkeit, Unverschämtheit“. Meine Eltern – beide im 2. Wiener Gemeindebezirk, der sogenannten „Mazzes-Insel“, aufgewachsen, der so hieß weil hier vor dem Zweiten Weltkrieg der Großteil der jüdischen Bevölkerung lebte – außer man gehörte zu den Megareichen, dann residierte man in Ringstraßenpalais oder hochherrschaftlichen Villen in Hietzing und Döbling. Meine Mutter wohnte im „besseren“ Teil, in der Glockengasse, im Haushalt eines Baron von Ziffer-Teschenbruck, mein Vater hingegen im „minderen“ Teil am heutigen Max-Winter-Platz. Er war ihr Englisch-Nachhilfelehrer. Und er beherrschte bis zu seinem Lebensende 27 Sprachen – Deutsch war für den gebürtigen Tschechen die erste Fremdsprache, aber Hebräisch und Jiddisch waren auch dabei. (Während meines Theologiestudiums hätte ich ihn dringend gebraucht – die Prüfung in Bibelhebräisch habe ich erst beim zweiten Mal geschafft.)
Mit dem Begriff Chuzpe bin ich daher von klein auf vertraut. Chuzpe ist, wenn beispielsweise, wie gestern kolportiert, ein Jugendpfarrer beim Savannah-Bridge-Lauf in Georgia der TV-Reporterin auf den Hintern klatscht und dann behauptet, er hätte nur in die Kamera winken wollen (https://www.krone.at/2062162). Chuzpe ist auch die in meinem letzten Buch „Aufrichten! Anleitung zum seelischen Wachstum“ (Verlag ORAC) verewigte Behauptung eines Wiener Passanten, der einer Freundin von mir beim Verlassen des Flughafens ebenfalls auf den Po klopfte, er habe ihr „nur den Weg weisen wollen“. Chuzpe sind aber auch viele Kickl-Äußerungen (z. B. verlorenes Wählervertrauen als bei anderen Parteien „geparkte Leihstimmen“ zu bezeichnen) … Das gemeinsame Kriterium von Chuzpe liegt nämlich darin, dass den Empfängern der eigentlich unerhört frechen Botschaften zugemutet wird, sie ohne Widerspruch ernst zu nehmen – und leider tun das auch viele im sprachlosen Überraschungsschock anstatt sie niederzubrüllen oder auch nur einfach „niederzulachen“ – oder mit überlegener Ignoranz zu strafen.
Nicht zu verwechseln ist Chuzpe jedoch mit Schmäh (obwohl dieses Wort von manchen Sprachforschern auch aus dem Hebräischen abgeleitet wird – nämlich von schema, Betonung auf dem a am Schluss, „höre!“), denn der ist es, der wie oben angeführt durch erheiternden Charme gekennzeichnet und eben dadurch so unwiderstehlich amüsierend ist – perfekt wiedergegeben im Kultsong der EAV „Küss die Hand schöne Frau“.