Es wäre eine „Beziehungstat“ gewesen, sprach der Verteidiger des Mannes, der seine Lebensgefährtin mit sechs Messerstichen getötet hatte. (Salzburger Nachrichten, 14.12.2019, Seite 10.)

Vor vier Tagen war ich Teilnehmerin an einem „Runden Tisch“ (für die NÖ Bezirksblätter in gekürzter Fassung ab kommender Woche, und dann auch in originaler Langfassung online auf www.meinbezirk.at/3816210) mit der Niederösterreichischen Frauenlandesrätin Mag.a Christiane Teschl-Hofmeister und Brigadier Omar Haijawi-Pirchner, dem Leiter des NÖ Landeskriminalamts.

Dabei fiel auch der Begriff „Beziehungstat“ und ich sagte, Morde wären immer Beziehungstaten, denn zumindest im Augenblick jeder Tat bestünde ja eine Beziehung. Ich meine damit, dass sich die Aufmerksamkeit und Energie des Tatsubjekts auf das ausgewählte Objekt „bezieht“, auch wenn dies so spontan erfolgt wie etwa bei den zwei Morden bzw. vier Mordversuchen der sogenannten „Bestie von Sierning“ (der Name des 1993 Verstorbenen sei dem Vergessen anheim gestellt), der in den 1950er Jahren auf dem Fahrrad unbekannte Frauen überholte, mit einem Hammer niederschlug, vergewaltigte und tötete – „aus Hass auf alle Frauen“. Wie bei allen späteren Verbrechern wartete auch er auf eine (oder mehr) passende Gelegenheiten um seine Phantasiegebilde in die Tat umzusetzen.

Ich habe in meiner Ausbildung in Systemischer Paar- und Sexualtherapie gelernt, jeder Orgasmus hat eine Geschichte und die beginnt oft viel früher als am Morgen des jeweiligen Tages. Analog formuliere ich immer im Unterricht: Jede Gewalttat hat eine Geschichte und die kann man generell wie auch akut an prägenden Erlebnissen in der Time Line entdecken.

Mit der Bezeichnung „Beziehungstat“ hingegen soll der fatale Anspruch auf Herrschaft über Leben und Tod, wie auch auf Aufdeckung der Brutalität oder möglicherweise Psychopathologie heruntergespielt und dem Opfer eine Mitschuld unterstellt werden. Das gehört zum Job von Strafverteidigern.

Zum Job der Urteilsprechenden gehört hingegen, solche verbale Kunstgriffe im Aufbau einer Verteidigungsstrategie zu erkennen und zu ignorieren.

Es gibt ja so viele Formen von Beziehungen – berufliche und private, kommerzielle und unterstützende, ausbeuterische und bereichernde, toxische und therapeutische, langdauernde und kurze, oberflächliche und tiefgehende, geplante und spontane, Gewaltbeziehungen, Liebesbeziehungen, Gewohnheitsbeziehungen … die Reihe ließe sich noch lange fortsetzen.

„Beziehung“ ist aber auch ein spezifisches Modewort geworden, mit dem intimere Nähe ohne ausdrückliche Vereinbarung (wie in einer Ehe oder Lebenspartnerschaft) angedeutet wird. In meiner Jugend sprach man statt dessen von „Bekanntschaft“ wie etwa mit der Frage „Hat er/sie schon eine Bekanntschaft?“ Auch darin lag Verschleierung verborgen – denn Bekanntschaften hat man üblicherweise viele, aber die Fragenden wagten nicht, Klartext zu sprechen. Dabei ginge es auch anders – wenn manfrau sich traut. So erinnere ich mich an ein Geburtstagsfest, bei dem eine Freundin von mir unerwartet in männlicher Begleitung auftauchte und stockte, als sie den Mann vorstellen wollte. Nachdem sie seinen Namen gesagt hatte, begann sie mit „mein …“ – lange Pause, dann ein Ruck – „… Geliebter“! Vielleicht hätte sie auch „augenblicklicher“ dazu sagen sollen, denn heute gibt es ihn nicht mehr in ihrem Leben … aber wer weiß, wie der dann reagiert hätte …