Messerattacken haben sich in den letzten zehn Jahren stark vermehrt. Das hat Angst ausgelöst: Die Angst vor dem „unsichtbaren Gegner“ im Rücken. Die Angst vor dem Überraschungsangriff. Die Angst vor der eigenen Wehrlosigkeit und Ohnmacht …
Angst ist sowohl ein Gefühl als auch eine körperliche Empfindung, ausgelöst durch ein Phantasiebild. Was hier aber zur Quadrinität (d. h. Vierheit) des Bewusstseins fehlt, ist das Vernunftdenken. Angst ist immer eine Herausforderung, genau hinzusehen und nachzuforschen, wann, wo und wie die „Geschichte“ einer Gewalthandlung begonnen hat und welche eigenen Anteile man dabei hat bzw. vermieden haben könnte.
Wir sogenannten zivilisierten MitteleuropäerInnen sind sorglos geworden. Wir bewegen uns durch den Großstadtdschungel mit einer Unbekümmertheit, die kein Wanderer im realen Dschungel wagen würde, der wohl weiß, dass überall Raubtiere und Infektionsgefahren lauern und man sich daher vorsehen muss … Vorsehen bedeutet, Gefährdungen voraus zu sehen. Was man dazu braucht ist intuitive Wahrnehmungskompetenz und Selbst-Vertrauen, wird doch Intuition viel zu oft als „sechster Sinn“ oder gar Wahnvorstellung lächerlich gemacht. Dabei handelt es sich um (physikalisch messbare!) unbewusste subtile Stressempfindlichkeit, und wenn man diese ins Bewusstsein hebt, merkt man selbst (ohne Messungen mittels Galvanometer oder anderen Biofeedback-Geräten), dass sich der elektrische Hautwiderstand verändert (hat) und kann das mit den auslösenden Ursachen – z. B. die räumliche Annäherung eines insgeheim wütenden Menschen – in Verbindung bringen. Aber genau diese Intuition wird Kindern und vor allem Frauen, die in Gewaltbeziehungen leben, ausgeredet, damit sie sich schuldig fühlen, misstraut zu haben. Dabei ist gerade Misstrauen eine Form, der eigenen Intuition zu trauen.
Ich vermute übrigens, dass mehr Menschen durch Kraftfahrzeuge zu Schaden kommen als durch Messer oder Hiebwerkzeuge. Solch eine Gegenüberstellung vermisste ich in der gestrigen ORF-Berichterstattung und auch die dazu gehörende Erklärung: Wird man durch einen Menschen angegriffen, spürt man dessen Kampfenergie – und wer nicht auf Nahkampf trainiert ist, regrediert zumeist in den psychischen Zustand eines Kleinkindes und erstarrt (d. h. „stellt sich tot“), wenn Weglaufen nicht (mehr) möglich ist und kunstgerechte Abwehr nicht erlernt wurde. Dann wünscht und fordert man eine beschützende Elternfigur und ruft nach verbietender (und strafender) Gesetzgebung. Beides kann nicht verhindern – aber zeigen, was wir als Gesellschaft nicht wollen.
Sehr wohl verhindern kann das Wahrnehmungstraining, das die östlichen Selbstverteidigungsmethoden auszeichnet. Deswegen plädiere ich seit 1987 (damals in meiner letzten Rede als Wiener Kommunalpolitikerin) immer wieder für Selbstverteidigung als Teil des Unterrichts in „Leibeserziehung“ (jetzt „Bewegung und Sport“).
Kraftfahrzeuge (weil „leblose“ Maschinen) werden nicht oder erst viel zu spät als Bedrohung erkannt – vor allem dann, wenn man die Lenkenden nicht sieht. Ihre Schadwirkungen gelten eher als eine Art von „höherer Gewalt“. Es sind die sensitiven Menschen, die präventiv die Wut spüren, wenn sich ein anderer Verkehrsteilnehmer in seiner beanspruchten Allmacht (vorbei zu rasen) behindert fühlt – und behindert ist er ja auch, nämlich sozial behindert in der Unfähigkeit oder Unwilligkeit, sich an Spielregeln (wie die StVO – oder das Strafgesetzbuch) zu halten.