Das Jahr 2022 wird wohl als Jahr der Indiskretionen in die österreichische Polit-Geschichte eingehen. Damit ich nicht missverstanden werde: Ich war immer schon und bin auch nach wie vor für Transparenz und damit für eine klare Sprache – ich will mich auskennen und andere sollen das auch können. Deswegen halte ich es auch im Sinne der Analytischen Psychologie von C. G. Jung für wichtig, dass man auch den jeweiligen „Schatten“ – die dunkle, weil noch unbeleuchtete Rückseite jedes Seins – kennt und in Ruhe ihre Vor- und Nachteile analysiert.
Manche, die sich als Whistleblower fühlen, handeln aber nur aus narzisstischen Motiven, in Anbiederung zwecks der „15 Minuten medialen Ruhms“ (Andy Warhol), aus Enttäuschung oder Rache – bedienen aber dennoch nur Voyeurismus und einseitige Vorurteile.
Derzeit wird Empörung über die sogenannten Sideletters von Koalitionären – Nebenabsprachen z. B. über Postenbesetzungen – geschürt. Michael Völker im Standard (31.01.2022, Kommentar-Seite 20) titelt dazu „Gift für die Demokratie – Der maßlose Einfluss der Parteien gehört zurückgedrängt – Transparenz soll helfen“. Auf der Thema-Seite 2 berichten hingegen ehemalige Regierungsmitglieder von der seit langem parteiübergreifenden Übung solcher Verschriftlichungen von Absichten, quasi als vorbeugendes Heilmittel gegen Streit und Klimavergiftung.