In den letzten Tagen hörte ich von etlichen Verleger:innen die Klage, sie könnten Bücher weder nach- noch neu-drucken lassen, weil die Druckereien keine Papierreserven mehr hätten. Gleichzeitig flattern täglich zahlreiche Postwürfe von Lebensmittel-Großhändlern, OK, aber auch Möbelhäusern, Baumärkten und natürlich Spendensammlern ins Haus, und ich frage mich: Dafür scheint also genug Papier dazusein – und das in der Zeit des Lockdowns, in dem man ohnedies nur bedingt außer Haus darf. Und wo viele schon seit langem über Reizüberflutung klagen …

Und meine Buchhändlerkolleg:innen – ja, ich habe nicht nur einen eigenen Verlag, sondern auch einen Buchhandelsgewerbeschein und betreue meine Stammkundenschaft selbst – appellieren, man möge doch bei ihnen bestellen und nicht bei Amazon, man sende ebenso zu oder liefere „übers Fenster“ aus, womit man noch mehr die Umwelt schonen könne.

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Oft genügt ein neues Wort, um bislang beschwiegene Phänomene ins Bewusstsein zu heben und damit einer „Bearbeitung“ zuzuführen. (Deswegen habe ich in meinem letzten Brief Nr. 91 passende Neuwortschöpfungen begrüßt.)

Manchmal setzen sich aber gezielt beworbene Worte im allgemeinen Sprachgebrauch durch, die semantisch falsch sind, weil es eben noch keine besseren, „treff-sicheren“, gibt. Aus diesem Blickwinkel kritisiere ich das Wort bzw. den Begriff „Femizid“, denn die Tötung von widersetzlichen Frauen geschieht nicht – so der politische Sprachgebrauch – „weil sie Frauen sind“, sondern weil sie sich zu widersetzen wagen. Deswegen spreche ich von „Hinrichtung“. (Ein ähnlich brutaler Umgang führt auch zu Gewaltattacken bei widersetzlichen Söhnen, aber diese sind meist kampftüchtiger, weil jünger, kräftiger oder auch noch nicht so alkoholbeschädigt wie ihre Väter, daher ist der Kampfausgang offen.)

Eine andere hinterfragenswürdige Formulierung ist die von der „toxischen Männlichkeit“. Toxisch bedeutet „giftig“ (für die Zukunftsfolgen) oder „durch Gift verursacht“ (für die Vergangenheitsursachen). Beide Blickrichtungen bieten nur vage wie auch relative, nicht absolut zutreffende Informationen: Schon Paracelsus wusste, „Die Dosis macht das Gift“ – und manche Menschen sind sogar immun oder zumindest resilient auch für hohe Dosen, auch wieder für beide Zeitrichtungen gemeint.

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Ich mag Neologismen – Wort-Neuschöpfungen. Salutogenese – das Gegenteil von Pathogenese, also der Entstehung von Krankheiten – umfasst beispielsweise alles, was Gesundheit aufbaut und fördert. Mir gefällt die Kreativität, aber auch der Mut, dem allgemeinen Wortschatz Sprachschöpfungen beizufügen, um Lücken zu füllen. So habe ich einmal in einem Artikel geschrieben, das Gefühl, aus dem heraus sich das Rumpelstilzchen im Märchen zerreißt, habe keinen Namen – es sei nämlich nicht (nur) Wut, sondern eine Mischung aus Enttäuschung, Verletztheit, weil es ausgetrickst wurde und VerZWEIflung – deswegen reiße es sich ja entzwei – und ich schrieb: Hätte es einen Namen, würden den viele Frauen für sich reklamieren, nämlich alle, die ihren Ehemann während Studium oder Karriere unterstützt hätten und von ihm nach Erreichen seiner Ziele verlassen wurden (Zitat aus vielen Beratungsgesprächen: „Sie passt halt jetzt nicht mehr zu mir!“)

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Aktuell ist das Wort „Streit“ wohl das meistverwendete in der Medienberichterstattung der letzten Woche. Ich frage daher: Welches geistige Bild entsteht, wenn wir an Streitende denken? Wie sehen deren Gesichter aus? Wie deren Körperhaltungen? Wie hören sich deren Stimmen an? Und welche Energie strahlen sie aus?

Und weiter: Von welchen Vorbildern stammen diese Gedächtnisspuren? Vom kindlichen Geschwisterstreit um Spielzeug? (Später dann um Erbschaften und „Zuwendungen auf den Todesfall“.)

Von elterlichen Kämpfen um Erziehungsstile, Geld oder die jeweilige Schwiegerfamilie? Nachbarschaft? Film und Fernsehen?

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Und wieder häufen sich Medienberichte über die Entdeckung gefilmter sexueller Misshandlungen von Kindern auf den Rechnern ehrenwerter Bürger – darunter Lehrer und Priester, Personen, die berufsbedingt mit dem Vertrauen von Kindern rechnen können. Aber dürfen sie – und alle, die gerne mit Kindern arbeiten – auch noch mit dem Vertrauen der Eltern, der Vorgesetzten, der Nachbarn und anderen Nächsten rechnen?

In meinem Buch „Die Wahrheit wird euch frei machen – Sexuelle Gewalt im kirchlichen Bereich … und anderswo. Prävention Behandlung Heilung“ habe ich zwischen pädophilen, pädosexuellen und pädokriminellen Tätern unterschieden. Die ersten davon richten ihre Liebesgefühle, oder was sie dafür halten, zwar auf Kinder, halten eher scheuen Abstand oder sublimieren in Kunst oder eben auch Beruf (wozu in beiden Fällen auch Fotografie etc. zählt), die zweite Gruppe sucht sexuellen Kontakt, meist mit steigender Toleranz (d. h. es muss immer „mehr“ oder „intensiver“ sein), und der dritten Gruppe geht es nur um Geld (mögliche Erpressung inbegriffen). Und genau diese dritte Gruppe wird immer gefährlicher, weil sie quasi Marketing betreibt, indem sie aktiv neue „Kunden“ anwirbt, nämlich zuerst neu-gierig macht und ab Erstkontakt dann mit ihren „Produkten“ bombardiert. Den Stil kennen wohl alle, die schon einmal etwas von den legalen Angeboten aus dem Internethandel bezogen haben.

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Ein neues Wort wird modern: woke im Sinn von Achtsamkeit, vor allem auf Geschehnisse, die kritisiert bzw. abgestellt gehören (Woke – Wikipedia). Als „neuen Moralismus“ wird Wokeness in einem Artikel der Neuen Zürcher Zeitung vom 19-01-2020 bezeichnet (Wokeness – die gesteigerte Form der Political Correctness | NZZ), in Kurzfassung: „Sei wach, richte über andere, und fühle dich gut dabei“.

Aus dem Blickwinkel der psychotherapeutischen Schule der Transaktionsanalyse würde man wohl „Überheblichkeit“ aus dem Seelenzustand des „nörgelnden Eltern-Ichs“ diagnostizieren – geht es doch primär darum, den „Anderen“ mitzuteilen, dass sie „nicht OK“ sind, weil sie nicht so sind wie die „Wir“. Und von Eltern und ähnlichen Autoritäten stammen ja die ersten Erfahrungen der Abmahnung wegen mangelnder Aufmerksamkeit – und die prägen. Auch ich wurde von meinem Lehrer-Vater immer wieder abgemahnt, ihn anzublicken, wenn er mit mir redete – aber in Situationen, in denen ich empört aufblickte, den Befehl „Senke den Blick!“ erhalten. Erst in meiner NLP-Ausbildung habe ich dann registriert, dass „auditive“ (bevorzugt durch Hören wahrnehmende Menschen) oder „kinästhetische“ (die vor allem „spürenden“ Leute) im Gegensatz zu den „visuellen“ (den auf Sehen ausgerichteten Menschen) durch Blickkontakt in ihrer intensiven Wahrnehmung beeinträchtigt werden. Und in der Praxis habe ich beobachtet, welche Konflikte sogar unter Liebenden entstehen, wenn gegensätzlich orientierte Menschen randalieren „Warum bist du nicht so wie ich?“

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Nein, hier soll nicht von den täglichen Gefahren der Blaulichtberufe (Feuerwehr, Polizei, Rettung) die Rede sein, deren Gesundheit und Leben im Einsatz für die Allgemeinheit massivsten Schaden erleiden kann – und auch nicht von ihrem Gegenpart, den Rotlicht-Berufen, in denen es oft auch recht gefährlich werden kann.

Es geht um die dritte Gruppe von „Helfer“-Berufen, die von dem positiven Vorurteil umrahmt sind, sie würden immer nur das Beste für ihre Patient:innen, Schüler:innen oder auch Gemeindemitglieder beabsichtigen.

Augenblicklich steht ein 56jähriger Urologe wegen schwerer Körperverletzung mit Dauerfolgen, grob fahrlässiger Körperverletzung und schweren Betrugs vor Gericht: „Retter in der Not soll Patienten verpfuscht haben“ titelt die Tageszeitung Kurier (04.11.2021, S. 20) – nämlich Männer mit Erektionsproblemen mit falschen Diagnosen (so das Gericht), einer in Österreich nicht anerkannten Operationsmethode und unrichtigen Versprechungen („minimal invasiver Eingriff ohne Risiko“) zur Operation motiviert zu haben. Dass diese nicht erfolgreich war – und zwei der betroffenen Patienten sogar Suizid verübten – führte der Arzt darauf zurück, dass sie „voreilig“ waren, also die verordnete „vollständige Ruhe“ (ich ergänze: nämlich die sexuelle) nicht eingehalten hätten.

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Die Tage rund um den 1. November bedeuten für viele Menschen jedes Jahr seelische Belastung: Nicht jedes Totengedenken ist friedvoll und voll der Liebe, sondern eher schmerzlich, oft durch unerwünschte Gefühle wie auch unsensible Fragen belastet – und der mediale Halloween-Wirbel kurz davor kann nur mit „transformierendem“ Humor bewältigt werden, so sehr kann er nerven.

Um Transformation geht es ja auch, wenn man mit seinen Gefühlsreaktionen rund um das Sterben fertig werden muss, wenn sie plötzlich jenseits der Routine von Blumen- und Kerzenkäufen und Gräberbesuchen Gedenk-Raum beanspruchen. Das beginnt mit den Pandemie-Todesfällen, mit der juristischen Regelung des sogenannten assistierten Suizids – wobei die sozialen Ursachen von Verzweiflung und Verlust von Lebensmut und was dagegen zu machen wäre, ignoriert werden! – und gipfelt im demonstrativen Regierungsgedenken an den fatalen Abend des 2. November des Vorjahres mit den ersten Terroropfern in Österreich. Ich habe die Berichterstattungen in den Abendnachrichten des ORF gesehen – und mich gefragt: Was macht das mit den Angehörigen der Toten?

Wollen die wirklich, dass diese schrecklichen Geschehnisse von Politikern öffentlich „in Szene gesetzt“ werden? Hilft das bei der Verarbeitung von Schmerz, Wut und Trauer?

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