In den 1990er Jahren – Maria Rauch-Kallat war damals Familienministerin – saß ich im Rahmen einer Enquete in der Pause mit den anderen ReferentInnen beim gesponserten Mittagessen (das gab es damals noch), und darunter Ludwig Reiter, der wissenschaftliche Leiter der von mir und dem Diplomsozialarbeiter Werner Neubauer gegründeten Wiener Sexualberatungsstellen, damals führender systemischer Familientherapeut und Dozent am Institut für Psychotherapie der medizinischen Fakultät der Universität Wien, und der sagte, eigentlich sei in der Psychotherapie alles schon erfunden … es gäbe nur mehr „PR-Bezeichnungen“ für angebliche Spezialisierungen, denn mit jeder der über zwanzig in Österreich anerkannten Methoden könne man – mehr oder weniger gut, das hänge von der Therapeuten-Persönlichkeit ab – jede Störung behandeln.

Daran musste ich denken, als ich Robert Menasses Kritik an den ÖVP-Plakaten für die Wien-Wahl am 11. Oktober las. Eigentlich wurde schon lange kein wirklich aussagekräftiges oder „aktivierendes“ Wiener Wahlplakat mehr erfunden.

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Da las ich doch am Montag, 28.09.2020, in der „Stadt und Land“-Beilage der Salzburger Nachrichten auf Seite 10 ein Inserat, das mich verwirrte: Da gab es ein Foto eines Herrn Alois Kobler, „Gründer von Blue Shield“ und darüber den Titel „Blue Shield garantiert IT-Sicherheit“ und den Untertitel „Heimische Security-Lösung unterstützt Unternehmen in der Corona-Krise“.

Blue Shield – gekennzeichnet durch die blau-weißen Tafeln auf historischen Gebäuden – ist eine der UNESCO angegliederte internationale Organisation zum Schutz von international bedeutsamen Kulturgütern im Kriegsfall aber auch gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern: https://www.blueshield.at/. Mit IT hat sie nichts zu tun.

Hat sich nun Herr Kobler eine Mogelpackung zugelegt Weiterlesen

Wenn im alten Rom jemand in Ungnade fiel, wurde sein Name gelöscht: Er sollte der Vergessenheit anheimfallen. In der frühen Sowjetunion wurden solche Personen aus Fotografien weg retuschiert – und im heutigen Israel geschieht so etwas in ultraorthodoxen Zeitungen mit Frauen (sogar Angela Merkel wird aus Staatbesuch-Fotos entfernt). In meiner vorjährigen Forschung zur Bürgernähe im Zeitalter der Digitalisierung erfuhr ich, dass so etwas Ähnliches sogar gelegentlich in Niederösterreich vorkommt – wenn im vorauseilenden Gehorsam Fotos von Gemeindeveranstaltungen von Politiker anderer Parteien „gereinigt“ werden …

Jetzt wurde ein Posting Robert Menasses von Gernot Blümels Facebook-Seite gelöscht. Von wem genau, müsste erst nachgewiesen werden. (Mir ist so etwas vor einigen Tagen, s. mein „Brief gegen Gewalt“ Nr. 73 vom 23.09. passiert – da ging es um gewaltsames Vorgehen gegen eine – ärztlich gerechtfertigte – Nicht-Maskenträgerin im Wiener Stadtsaal und Facebook hat von sich aus gelöscht.) Abgesehen von der glücklosen Argumentation Blümels (die wohl wie so manche vorherige inkompetenten Spindoktoren zuzuschreiben ist – ein Problem, das ich auch bei Rendi-Wagner unterstelle, siehe ihren peinlichen Vergleich des Schreckens der Schoah mit der gegenwärtigen Flüchtlingspolitik, s. Glosse von Andreas Koller in den Salzburger Nachrichten vom  24.09.2020, Seite 2) und den zahllosen medialen Zug-Aufspringern der empörten Parteinahme für Menasse, zeigt sich mir hier aber ein ernsthaftes Grundproblem – das „Ungeschehen-machen-wollen“.

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Mitten in die Debatten um Freiheit – bezogen auf trotzige Verweigerung des Mund-Nasenschutzes oder Kontaktregelungen (Datenbekanntgabe bei Gasthausbesuchen ist da schon eine viel heiklere Angelegenheit) – platzt nun die Information, dass sich der Verfassungsgerichtshof nach zeitlicher Verschiebung nunmehr mit einer Klage auf das Recht auf einen selbstbestimmten Tod beschäftigen werde.

Wieder einmal stehen sich zwei Lager gegenüber: Die einen wollen nicht aus religiösen oder anderen moralischen Gründen auf lange Zeit hin Schmerzen leiden müssen – die anderen befürchten Geschäftemacherei mit dem Tod (wie wenn es die nicht hinsichtlich der Begleitrituale immer schon gegeben hätte), Druck auf Kranke („den andern nicht zur Last fallen“) und Ärzte und erinnern an die Möglichkeiten des Missbrauchs wie im Dritten Reich; außerdem wären Palliativ- und Hospizarbeit menschenwürdige(re) Alternativen.

Was dabei übersehen wird, sind die psychischen Wirksamkeiten, wenn jemand nur mehr den Tod vor Augen hat Weiterlesen

Gestern postete eine Freundin auf Facebook ein herzergreifendes Video, in dem sie berichtete, dass und wie sie am Besuch einer Kabarettvorstellung im Wiener Stadtsaal gehindert wurde, weil sie keinen Mund-Nasenschutz trug – trotz ihrer Aufklärung, dass sie durch ärztliches Attest rechtfertigt sei.

Sie wurde verbal beleidigt, ihr wurde Betrug unterstellt (d. h. öffentlicher Vorwurf einer strafbaren Handlung, und das ist auch strafbar!), sie wurde am Aufsuchen des Ortes, wo etwas von ihrem Eigentum platziert hatte, blockiert und auch von anderen Anwesenden in bester Blockwartmanier diskriminiert – obwohl sie auf das bestehende gesetzliche Diskriminierungsverbot – auch Kranker! – hingewiesen hatte.

Ich habe in meinem Posting dazu an Karl Kraus erinnert, der ja pointiert deutlich machte: Das „goldene Wienerherz“ sei aus Metall. Und ich habe ihr Video öffentlich gestellt – in der Hoffnung, dass auch andere, die nicht so wie ich beruflich auf die Wahrnehmung echter Gefühle geschult sind, spüren, wie verletzt die junge Frau durch diese miese Verhaltensweise des Stadtsaal-Personals war.

Heute war das Video gelöscht. Sowohl in meiner Chronik als auch in ihrer. Offenbar von Facebook – denn meine Freundin wusste noch gar nichts davon.

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In den letzten Tagen ist mir aufgefallen, dass Mails von mir, in denen ich nicht einmal kritisiert sondern nur geschrieben habe, dass Vorschläge von mir an TopmanagerInnen – die mich um derartige gebeten hatten oder von ihren Vorgesetzten dazu beauftragt worden waren – über längere Zeit nicht berücksichtigt wurden. Das zu sagen, finde ich OK – es entspricht den Tatsachen und ist keiner besonderen Reaktion bedürftig. Dennoch haben sich die Adressatinnen jeweils bemüßigt gefühlt, sofort zu beteuern „Da muss ich meine Vorgesetzte in Schutz nehmen …“ Sehr ritterlich von den jeweiligen Damen – aber in Schutz nimmt man doch eher, wenn man „Ritter“ ist und nicht „Knappe“?

Im Versuch des Einfühlens in diese Reaktion spüre ich Misstrauen und Vorsicht – und dennoch bleibt mir die Reaktion unverständlich. Üblicherweise projizieren Menschen ihre eigenen Eigenschaften auf andere, also beispielsweise eigene ungeäußerte Kritik oder Unzufriedenheit. Ich habe nicht nachgefragt, denn in Alltagssituationen darf ich ja nicht „psychoanalysieren“ oder „antherapieren“ … dazu braucht es einen Vertrag. „Arbeitsbündnis“ heißt das in der Psychotherapie. Ich darf nur „pädagogisieren“ – also etwas am Beispiel verdeutlichen.

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In meinem neuen Buch „Komme was da wolle … Krisenkompetenz“ (ab Mitte nächster Woche im Buchhandel) kritisiere ich den unbedachten Umgang mit Suggestivworten wie „Krise“, „Trauma“ oder „Einsamkeit“: Sie besitzen Ansteckungspotenzial, d. h. sie lösen Identifikationsgefühle aus.

Etwas Ähnliches scheint derzeit, wo ein Straftatbestand gegen Hass im Netz eingeführt werden soll, viele statt zur Besinnung gebracht eher motiviert zu haben, einander in Hass-Äußerungen zu übertreffen. Vor Gericht heißt es dann, „die Stimmung“ habe einander aufgeschaukelt – man habe sich ja nichts Böses dabei gedacht. Eben – nichts gedacht.

Vorige Woche, als ich die von mir auf allen Regionalradios gesprochenen „Evangelischen Morgengedanken“ als „Briefe gegen Gewalt“ nicht nur für meine AbonnentInnen sondern auch auf Facebook veröffentlicht habe, habe ich viel Zustimmung erhalten – und dabei habe ich auch genau die Zeilen aus dem Jakobusbrief bearbeitet, in denen vor unbedachtem „Wortgift“ gewarnt wird (nachzulesen auf www.haltgewalt.at). Ich weiß schon, die da ihren Hass posten, sind der Meinung, dass ihnen ohnedies alle zustimmen. „Echokammer“ heißt das – nur: So ist es nicht. Es gibt noch anständige Menschen, die diesen Hass nicht wollen.

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In meiner Facebook-„Echokammer“ habe ich soeben ein Meuchelfoto von Karoline Edtstadler entdeckt mit Kommentaren wie z. B. „Cruella“. Die Kanzleramtsministerin hat auf diesem Foto halbgeschlossene Augen. In Wien nennt man dies, wenn man wohlwollend ist, „fades Aug‘“. Aber die das Foto ins Netz gestellt haben, sind nicht wohlwollend, auch nicht heiter oder witzig – sie sind bösartig.

Ich musste leider sofort protestieren – wohl wissend, dass ich damit womöglich einen shitstorm auf mich ziehe. Ich musste das aus Fairness, nicht nur, weil ich Karoline Edtstadler als freundliche, hilfsbereite Kollegin (ich bin ja vom Ursprungsberuf auch Juristin) kennen gelernt habe, sondern weil ich es unfair finde, einen Gesichtsausdruck, der vor allem Ermüdung (!) signalisiert, als Grausamkeit fehlzuinterpretieren. Man könnte auch Ekel hineininterpretieren – aber da wäre die Mundhaltung eine andere. Und mit halbgeöffenetem Mund würde dieser Blick als „erotisch“ interpretiert … vgl. Marilyn Monroe. (Leider haben die wenigsten, die sich als Köpersprache-Experten ausgeben, die jahrelange Erfahrung von spezifisch erfahrenen PsychotherapeutInnen, sondern phantasieren etwas zusammen, was überhaupt nicht stimmt. Nur weil z. B. ein Pantomime etwas auf bestimmte Weise darstellen würde, heißt das noch lange nicht, dass das auf andere Menschen zutrifft!)

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Der 1922 in Wien geborene und 1997 in Frankfurt gestorbene jüdische Religionswissenschaftler Pinchas Lapide schreibt in seinem Buch „Ist die Bibel richtig übersetzt?“ zu Genesis 1,28  „Macht euch die Erde untertan!“, kein anderes Wort aus dem Schöpfungsbericht sei so verzerrt worden, denn die Erde würde in dieser Übersetzung in einer „bibelwidrigen Entwürdigung“ als „willenloser Untertan ausgebeutet und ausgenutzt“ werden dürfen, und dies widerspräche dem hebräischen Urtext. In diesem „ergeht der Auftrag an den Menschen, Gottes Welt zu betreuen, nicht zu unterjochen; zu regieren, nicht zu usurpieren; weise und umsichtig zu verwalten, zu erhalten und zu entfalten als Treuhänder Gottes, der diese gute Schöpfung seinen Kindern anvertraut hat“. (S. 67 f., Hervorhebung von mir)

Nun ist die Sprache der Bibel Poesie (nicht Naturwissenschaft, wurden wir im Studium immer hingewiesen), um den Menschen der damaligen Zeit Erklärungen, Sinngebungen und Richtlinien quasi „zeitaltersgemäß“ zu vermitteln, und Übersetzungen sagten mehr über die Denkweise derer aus, die nach den/dem „Sinnen“ ihres eigenen Denkens übertragen. Auch meine Nachhilfelehrerin während meines Spätstudiums der evangelischen Fachtheologie hat mich immer wieder auf die vielfältigen alternativen Übersetzungsmöglichkeiten aufmerksam gemacht – und dass es darauf ankäme, den Geist (Spirit) dessen, was wir Gott nennen, zu erkennen.

Nun engagiert sich Umweltministerin Gewessler für Verminderung von Plastikmüll.

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Das Wort Sünde wird einer Lehrmeinung nach vom Wortstamm „sondern“ wie gesondert, absondern, absonderlich abgeleitet. Aus dieser Sicht bewirkt der biblische Sündenfall die Erkenntnis der Gegensätze, nicht nur von Gut und Böse, sondern von allem, weil alles aus Teilen zusammengesetzt ist. Wenn man diese wahrnimmt, besteht bereits die Verlockung in „richtig“ und „falsch“, in „entweder“ und „oder“ zu trennen und dann Krieg zu führen. Wir erleben das tagtäglich in der Politik.

Die politische verbale Kriegsführung – ausgedacht von Spin Doktoren, deren Elaborate dann im Parlament runter gelesen werden – man muss nur zusehen statt nur zuzuhören! – dominiert aber nicht nur die Aussagen der oppositionellen PolitikerInnen, sondern ebenso ihrer Anhängerschaft. Als ich noch SP-Mandatarin war (1973–1987) wurden wir geschult, in der Straßenbahn lautstark über den politischen Gegner verächtlich herzuziehen – heute findet das in den sozialen Medien statt. Mir wird regelmäßig ganz schlecht, wenn ich lese, wie Menschen anderer Gesinnung – vor allem die in der Regierung – nur voll Hass attackiert (und nicht sachlich kritisiert) werden. Es vergiftet meine Seele, denn ich bin berufsbedingt darauf trainiert, den Geist, die Energie zu spüren, in der etwas geäußert wird.

Es ist der Geist der Gewalt. Gewalt besteht darin, jemand anderem etwas aufzuzwingen, was der nicht will. Dazu wird – verharmlosend formuliert – Druck ausgeübt. (Auch Mord ist letztlich Druck – Druck der tötet, egal ob durch Hieb, Stich, Schlag etc.)

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