3 Demonstrationen der letzten Tage: Gegen Lukaschenko – mit der Gefahr, verhaftet und gefoltert zu werden; pro „black lives matter“ in verschiedenen Städten der USA – mit der Gefahr, von weißen Rassisten, manche Polizisten inbegriffen, erschossen zu werden; angeblich gegen Corona-Schutz-Maßnahmen in Berlin – mit polizeilich verhindertem Sturm auf das Reichstagsgebäude.

In Österreich wurde das Versammlungsrecht (Artikel 12) wie auch das Recht der freien Meinungsäußerung (Artikel 13) Kaiser Franz Joseph 1867 im Staatsgrundgesetz abgerungen und damit auch Parteigründungen ein Weg geöffnet.  Das war im Metternich’schen Überwachungsstaat ein riesiger Fortschritt … und der führte 150 Jahre später dazu, dass Law-and-Order-Staatslenker diese inzwischen zu Menschenrechten erhobenen Freiheiten missachten, ja sogar auf ihre friedlich demonstrierenden Staatsbürger schießen lassen – offensichtlich haben sie Angst vor den Menschenmassen, die unter Gefährdung ihres eigenen Lebens auf die Straße gehen.

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Bevor ich mich voriges Jahr im Februar nach langem Zögern doch auf Facebook eingebracht habe (um für meine „Bürgernähe“-Forschung mehr Einblicke zu bekommen), habe ich mich natürlich über die Spielregeln erkundigt (als vom Ursprungsberuf Juristin ist mir Einhaltung von Regeln ein hoher Wert).

Ich wurde bald überrascht, dass ich laufend von mir unbekannten Personen, die mit mir befreundet sein wollten – was für mich bedeutet, dass sie wissen dürfen, was ich so treibe und umgekehrt, aber nicht mehr – aufgefordert wurde, irgendwas von ihnen zu liken – Aktivitäten, die ich überhaupt nicht kenne und über die ich mich auch gar nicht persönlich informieren könnte, falls ich das überhaupt wollte.

Besonders pikant finde ich das, wenn es LebensberaterInnen oder PsychotherapeutInnen in Ausbildung sind, die wollen, dass ich ihre Praxen like … Offensichtlich wissen die nicht einmal, dass ich die Gründerin der Berufsgruppe der Lebens- und Sozialberaterinnen war (1985! Und bis zur Gesetzwerdung 1989 mit den Politikern darum gekämpft habe … erst in der 4. Auflage des Buches von Bitzer-Gawornik „durfte“ ich die historischen Abläufe berichten. Alle FunktionärInnen sind ja erst viel später dazugestoßen, konnten das alles daher auch nicht wissen), und ebenso habe ich sogar meinen ersten Bundesorden für die Mitgestaltung an der Regelung der Psycho-Berufe (Psychologen, Psychotherapeuten, LSB) bekommen – Foto auf meiner homepage www.perner.info bei der Biographie 1992. Ich lösche solche Like-me-Anfragen immer sofort, weil ich mich nicht als „Werbeträgerin“ vereinnahmen lassen will. Selbstbestimmung ist mir auch für mich selbst ein hoher Wert – nicht nur für die Menschen, mit denen ich arbeite.

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In seinem Buch über Intuition als Hilfe, potenzielle Gewalttäter, männlich oder weiblich, zu erkennen (gebundene Ausgabe „Mut zur Angst“ bzw. „Vertraue deiner Angst“ als Taschenbuch), nennt der US-amerikanische Sicherheitsexperte und Personenschützer Gavin de Becker (siehe meine beiden letzten Briefe gegen Gewalt) die Methode „Rollenfestlegungen“. Damit meint er das Austesten, ob sich jemand wehrt, wenn man ihr oder ihm eine Eigenschaft quasi wie ein Etikett anheftet, die dann das weitere Verhalten bestimmen soll.

Wenn man beispielsweise einem Kind, das etwas nicht teilen will, in solch einem Moment (und später immer wieder) sagt, „Du teilst doch sonst immer so lieb deine Spielsachen“ oder Kekse oder was auch immer, dann wird das Kind als „lieb“ etikettiert und gleichzeitig daran gehindert, sich abzugrenzen oder zu den eigenen Zielen zu stehen. Bekannt? So werden viele – besonders Mädchen – von klein auf zum Nachgeben erzogen.

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Im Letzten Brief gegen Gewalt (Nr. 56) zitierte ich sieben Kommunikations-Merkmale, an denen man laut Gavin de Becker das Gewaltpotenzial anderer Menschen (aber auch bei sich selbst) erkennen kann. Ich brachte dabei einige Beispiele von Gewaltausbrüchen, nachdem den TäterInnen Grenzen gesetzt worden waren. Nicht alle wurden überlebt.

Diesmal möchte ich ein anderes Merkmal – „erzwungene Gemeinsamkeit“ – verdeutlichen. Gavin de Becker  nennt dabei den – unpassenden – Gebrauch des Wortes „wir“ zur Herstellung von Vertrauen so à la „Wir sitzen doch im selben Boot“. Schlüsselsätze dazu, die ich in meiner Praxis immer wieder berichtet bekommen habe, lauten „Du magst das doch auch!“ (z. B. bei sexuellen Grenzüberschreitungen) oder „Wir machen das alle so!“ oder „Wir waren doch immer so gute Freunde!“ (z. B. wenn jemand etwas nicht mitteilen will)  und letztlich sogar „Du würdest doch das Gleiche für mich tun!“ (z. B. wenn es um Geld geht).

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Eine Frau (dass sie „Top-Model“ sei, ist unerheblich – ihre Gesichtsverletzungen in Hinblick auf ihren Beruf sind es schon) wurde schwerst misshandelt, weil sie den eingeschlafenen letzten Gast ihrer Home-Party aufgeweckt und aufgefordert hatte, heimzugehen (https://www.oe24.at/welt/top-model-auf-ibiza-brutal-verpruegelt/441819765?fbclid=IwAR09P17bFdgYE0ZDq3xaRLIAFNML4UT6h9pi5wtfBPc5V7oS05WCq_9LFAk).

Der – noch nicht rechtskräftig – zu lebenslanger Haft verurteilte Fünffach-Mörder von Kitzbühel gab im Zuge seines Geständnisses an, „die Zurückweisungen seien zu viel für ihn gewesen“ – nämlich „dass die junge Frau ihm gegenüber mehrfach klarstellte, dass die Beziehung für sie beendet sei und sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle“, ihn aber auch deren Vater vom Haus zweimal wegschickte und ihm auch ihr Bruder die Freundschaft aufkündigte. All deren Nein war ihr Todesurteil. (Der Standard 13. 08. 2020, S. 9)

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Dass etablierte Parteien keine Freude haben, wenn ein – aus welchen Gründen auch immer nicht mehr in ihren Reihen „glänzender“ – „Stimmenfänger“ mit einer Neu-Partei-Gründung herausfordert, ist verständlich. Dass versucht wird, den für den Wahlantritt wesentlichen Wohnort mit gezielten Medienschlagzeilen in Frage zu stellen, auch – und auch, wenn sympathisierende Medien die antipathisierende Wählerschaft indirekt auffordern, die angebliche Verletzung des Meldegesetzes anzuzeigen (https://www.epaper-oesterreich.at/issue.act?mutationShortcut=CITYW&issueDate=20200805&issueId=744296).

Wo hat nun aber jemand wirklich seinen Lebensmittelpunkt? Dort, wo er schläft? Bei dem/r außerehelichen Geliebten? Am Arbeitsplatz, wenn er oder sie dort voll Freude – allen Arbeitszeitverkürzungsforderen gesagt: Ja, das gibt’s! – zwei Drittel des Tages verbringt? Wonne-Europäer, die mal da, mal dort leben – wie etliche KünstlerInnen? Wo hatte der unvergessliche Marcel Prawy seinen Lebensmittelpunkt? Im Hotel Sacher, wo er „lozierte“ – oder in der Staatsoper?

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Als ich in den 1990er Jahren viel für die Verwaltungsakademie des Bundes trainieren durfte, nahmen an meinen 4tägigen Kommunikationsseminaren oft Beamte (nur männliche) der Finanzverwaltung teil, die Steuerprüfungen durchzuführen hatten. Sie beklagten, dass ihnen so feindlich begegnet wurde, obwohl sie doch nur ihre Pflicht erfüllten. Auf Nachfrage, welche Pflichten sie denn meinten, antworteten sie: Fehler aufdecken, Strafen aussprechen.

Ich entschied mich darauf zu einem „Reframing“, einer Technik aus der Systemtherapie, in der einfach durch Umformulierungen die „Umrahmung“ („frame“ bedeutet auf Englisch „Rahmen“, wie bei einem Bild), sprich die Sichtweise verändert wird: Auch als „Finanzpolizei“ wären sie doch „Freund und Helfer“ und ihre Aufgabe sei es, Informationen zu geben, wo Verbesserungsbedarf anfiele, damit in Zukunft Strafen vermieden werden könnten.

An diesen friedfertigen Blickwinkel musste ich denken, als ich in den Zeitungen der vergangenen Tage las, wie die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs zu den Kontaktbeschränkungen der ersten Wochen seit dem Wissen über die Corona-Pandemie berichtet wurden: als Triumph über Fehler der Regierung (https://www.oe24.at/coronavirus/verfassungsklage-auch-gegen-baby-elefanten/439396174). Weiterlesen