Zur Geisteshaltung des steirischen Vize-Landespolizeidirektors – sein Name sei der damnatio memoriae übergeben – ist nichts weiter zu sagen, das den Medien zugespielte Tonbandprotokoll spricht für sich. („Vizepolizeichef nach Drohung versetzt“, Kurier, 28.11.2019, S. 25)

Dazu aber ein Zitat des hoch angesehenen deutschen Psychiaters, Psychoanalytikers und Sozialphilosophen Horst-Eberhard Richter (1923–2011) aus seinem Bestseller „Lernziel Solidarität“, erschienen 1974, betreffend Machtkämpfe auf dem Rücken Untergeordneter (nämlich von Kollegen gleicher Hierarchiestufe, mit denen konkurriert wird):

„Und es ist nicht zu verkennen, dass solche ressentimenthaften Rivalitäten nicht nur unter zweitrangigen und unbedeutenden Köpfen vorkommen, sondern gar nicht selten auch zwischen sehr bekannten und erfolgreichen Persönlichkeiten. Man sollte meinen, dass besonderer Erfolg gegen ein Überwuchern von Ressentiments schützen müsse. Aber wenn Eitelkeit und Machthunger überdimensionale Proportionen annehmen, wird auch das Gerangel um Spitzenpositionen unter Umständen noch aufgeladen mit der Gefahr maximaler Kränkungen und entsprechend vehementer Rachewünsche. Keiner der hochgestellten Rivalen vermag es in solchen Fällen zu ertragen, dass auf den eigenen gottähnlichen Glanz vom Gegner her noch ein minimaler Schatten fällt. In solchen Fällen ist es also nicht etwa das objektive Quantum erlittener Zurücksetzungen, das die ,seelische Selbstvergiftung‘ bewirkt, sondern das megalomane Übermaß an Ansprüchlichkeit. Da gibt es die großen Auserwählten, die sich innerlich mit dem Nimbus ihrer Spitzenpositionen identifizieren und am Ende selbst die kleinste Zurücksetzung als unerträgliche Katastrophe phantasieren müssen.“ (S. 132, Hervorhebungen von mir.)

Weiterlesen

Von dem Freud-Schüler Sándor Ferenczi stammt die Formulierung von der „Sprachverwirrung zwischen dem Erwachsenen und dem Kind“, wenn nämlich der Erwachsene mit seiner Erwachsenensexualität bewusst oder unbewusst in der „Sprache der Leidenschaft“ über das Kind herfalle während dieses nur in der „Sprache der Zärtlichkeit“ seine Sympathie ausdrücke.

Ich orte eine andere Sprachverwirrung – eine gezielte, die leider oft unbewusst übernommen, multipliziert aber leider nicht enttarnt wird. Am Wahlsonntag, dem 24.11.2019, sprach etwa Harald Vilimsky zweimal in der Sendung der Generalsekretäre von „Leihstimmen“ (der FPÖ), die aktuell bei der ÖVP „geparkt“ wurden – wie wenn die FPÖ ein Besitzrecht auf irgendwelche Stimmen hätte und die Wählerschaft Kraftfahrzeuge wären (oder eben „Vehikel“ der Parteien – eine interessante Sichtweise!). Wenn ich mich recht erinnere, gab es das Wort Leihstimmen schon im vorletzten Nationalratswahlgang (2017) – nur bin ich mir nicht sicher, ob von Seiten der SPÖ …? Und schon wiederholte Tarek Leitner am Montag in der ZiB um 19.30 diese Neuwortschöpfung. Das finde ich nicht richtig, denn dadurch kann sich dieser Begriff neuerlich unwidersprochen und unkritisiert in den Köpfen des Publikums verankern.

In der gleichen Sendung formulierte Nadja Bernhard: „Dieben gelingt spektakuläre Milliardenbeute in einem Dresdner Museum“. Warum spricht sie von „gelingen“? Schwingt da stille Anerkennung mit? Wäre nicht ethisch neutraler  gewesen, nur „Milliardenraub in Dresdner Museum“ zu texten?

Weiterlesen

Im Interview zur Präsentation meines letzten Buches „Aufrichten! Anleitung zum seelischen Wachstum“ (Verlag ORAC) im Österreichischen Journalisten Club fragte mich dessen Gründer und Leiter Fred Turnheim, ob ich für Ausgrenzung der Rechten sei. Ich verneinte – denn durch Ausgrenzung verschwindet ja nichts sondern kann nur unkontrolliert wachsen. Ich finde nämlich, man müsse Gegensätzliches zu verstehen suchen, um bis zu der Wurzel vorzudringen, aus der es entwachsen ist, und dann zu überlegen, was man tun kann, um die Gründe für diese Entzweiung aufzuheben – und das kann man nur, wenn man ausreichend Informationen besitzt und Verhaltensweisen erarbeitet, auf welche Weise man das bewerkstelligen kann.

Ächtung, Ausgrenzung, Ausrottung zählen unter anderen auch zu diesen Methoden – aber sie bedeuten Kampf und Vernichtung; außerdem macht man sich dabei selbst zur Waffe. Und zur Angriffsfläche. Und ob man das dann überlebt, ist fraglich.

Ich bezeichne es als Dornröschen-Strategie: In diesem gleichnamigen Märchen glaubt der König, Dornröschens Vater, die Erfüllung des Fluchs vom tödlichen – durch die letzte Fee auf hundert Jahre Schlaf gemilderten – Spindelstich verhindern zu können, indem er alle Spindeln verbietet – was ihm, wie das Märchen berichtet, nicht gelingt, weil er nicht damit rechnet, dass die Fluch-Fee schon selbst dafür sorgt, dass eine Spindel im Geheimen übrig bleibt. Besser wäre gewesen, seiner Tochter den Gesundheit schonenden Umgang mit Spindeln zu lehren.

Weiterlesen

Er sei eben ein Umarmer, verteidigte sich Dirigent und Festspielleiter Gustav Kuhn laut profil 47/19, Seite 64, aber kein „fester“. Offensichtlich bewertet er Übergriffe quantitativ, also nach Krafteinsatz – nicht qualitativ, nach der Qualität der Beziehung, ob diese beruflich oder privat und in diesem Fall hinreichend intim ist.

Dazu sollte man wissen: Intimität bedeutet große seelische Nähe, und diese entwickelt sich in gegenseitigem Respekt und Vertrauen und – in Phasen, wie ich in meinem Buch „Ungeduld des Leibes“ dargestellt habe. Auf das Kennenlernen folgt die Phase der „Beziehung“ – oder auch nicht, dann bleibt es bei einer oberflächlichen Bekanntschaft unter vielen. Vertieft sich die Beziehung aber, wird sie intim, man öffnet sein Herz, berichtet Schmerzhaftes und Geheimes aus seiner Biographie, denkt und fühlt mit dem Anderen mit … so wie es zwischen nahen Anverwandten sein sollte, aber vielfach nicht ist, weil diese meist ihre Pläne und ihren Willen durchsetzen wollen, dafür aber unter „echten“ Freunden und Freundinnen entstehen kann. Eine körperliche Berührung oder sexuelle Vereinigung kann sich aus diesem Seeleneinklang ergeben – sollte es aber nur, wenn die Beziehung frei von Abhängigkeit, Druck, Nötigung oder Erpressung (dazu zählt auch Berechnung) ist. Andernfalls findet Gewalt statt – von der perfide konzipierten Manipulation bis zum radikalen Brechen von Widerstand. Der Abstufungen gibt es viele.

Weiterlesen

Seit heute ist der App online, mit dem die Schülerschaft die Kompetenz ihrer Lehrerschaft bewerten kann – und die Widerstands-Wellen gehen hoch (Salzburger Nachrichten, 15.11.2019: „Die neue App … hat bereits im Vorfeld die Wellen hochgehenlassen.“), und die Lehrergewerkschaft drohe sogar, dagegen vor Gericht zu ziehen.

Nun ist die Lehrergewerkschaft bekanntlich eine sehr effiziente, die sich meist sehr erfolgreich gegen Arbeitsplatzgefährdungen ihrer Wählerschaft einsetzt – das ist ja auch die Aufgabe von Arbeitnehmervertretungen, und auch mehr oder weniger kompetente Berufstätige haben ein Recht, ihren eigenen Lebensunterhalt (und den der von ihnen Abhängigen) zu erarbeiten. (Ich verzichte bewusst auf die Formulierung „verdienen“, denn dies beinhaltet auch einen Doppelsinn, der die Angriffsfläche bietet, etwas als „unverdient“ abzuwerten.) Allerdings gehört Kompetenz auch vermittelt, überprüft und gefördert – beispielsweise durch individuell designte Fortbildungen, und die fehlen weitgehend, denn dazu braucht man interdisziplinäres Wissen und Können, und darüber verfügt kaum jemand. Feedback durch Schüler*innen – aber auch Eltern, denn auch die sind wichtige Feedbackgeber für Wertschätzung und soziale Gesprächskompetenz! – bildet daher einen konkreten Ansatz für Mitarbeitergespräche (für die auch Lernbedarf besteht!) wie auch individuelle und kollektive Bildungsangebote.

Weiterlesen

Menschen, die unangenehme Erfahrungen „überlebt“, aber nicht kritisch reflektiert und „ausgedrückt“ haben, neigen dazu, diese unbewusst an andere weiterzugeben. Die häufigste solcher „unangenehmen Erfahrungen“ ist das Erleben, zu etwas gezwungen zu werden: Das beginnt schon bei den Kleinsten mit dem Zwang zu essen – dabei ist Ekel oft der erste Hinweis für eine Nahrungsunverträglichkeit, gefolgt vom Zwang zum Still-Sein oder Still-Halten, Dulden unerwünschter Berührungen, Zwang zu bestimmten Tätigkeiten aber auch zum Ertragen unerträglicher Belastungen (wie lange andauernder Lärmbeschallung – Streit der Bezugspersonen mitinbegriffen – Kälte, Dunkelheit, Angstmache, Drohungen, körperliche „Züchtigungen“, Einsperren etc. – alles, was es so an Miss-Handlungen gibt).

Der US-amerikanische Kinder- und Jugendpsychiater Bruce D. Perry beschreibt in „Der Junge, der wie ein Hund gehalten wurde“, wie traumatisierte Kinder oft ihre ganze Aufmerksamkeit der Vorsicht zum Schutz vor neuerlichen Übergriffen widmen müssen und daher nicht fähig sind, sich dem Unterricht zuzuwenden. Ich bin immer wieder erschüttert, wenn ich in meiner psychotherapeutischen Arbeit mitfühle, was manchen erwachsenen Menschen in ihrer Kindheit angetan wurde. Manches davon entspricht etwa dem, was im Film „Shining“ die Grenze psychischer Toleranz überschreitet (dann nämlich, wenn der mordversessene Vater, gespielt von Jack Nicholson, aus dem Blickwinkel des Kindes gezeigt/gefilmt und so die Zuseherschaft zur Identifikation mit dem lebensbedrohten Buben genötigt wird).

Weiterlesen

Von der „Publikumsbeschimpfung“ zur „Medienbeschimpfung“ habe ich mir gedacht, als ich Peter Handkes verbale Müllabfuhr anlässlich seiner geplanten Ehrung in seinem Geburtsort Griffen (Kärnten) im Fernsehen miterlebte. Leider finde ich heute keine Dokumentation im Internet, aber ich erinnere mich, dass er mindestens zweimal das Wort „Scheiße“ in Richtung der angereisten Journalisten in den Mund nahm. Dafür fand ich heute ein Interview zum Thema „europäische Werte“ aus ORF III (https://www.youtube.com/watch?v=hyfmL74lKHg), in dem ihm das Wort „Arschlöcher“ von den Lippen perlt. (Nicht auszudenken, wie die Reaktion wäre, wenn eine Schriftstellerin wagen würde, sich derart daneben zu benehmen!)

Es stellen sich für mich folgende Fragen bzw. Interpretationen: Ist es nur eine Form von narzisstischer Kränkung, wenn ihn Journalisten danach fragen, was er (geboren 1941) – Nobelpreisträger für Literatur des Jahres 2019 – zu der wohl nachvollziehbaren Kritik von Saša Stanišić – geboren 1978 in Višegrad, Träger des Deutschen Buchpreis 2019 – an Handkes „eigenwilliger“ Position zu dem Massaker von Srebenica sage, statt ihn ausschließlich zu seinem Werk zu befragen? Will er dafür keine Verantwortung übernehmen – gar nicht daran erinnert werden?

Oder sind Fragen zu seiner Person tabu? Hält er sich für sakrosankt? Will er abblocken, dass ein Kollege der Söhne-Generation möglicherweise ein Tribunal zwecks Vatermord heraufbeschwört? Oder hat ihn die Preisvergabe in eine Krise gestürzt, wie es ja oft vorkommt, wenn jemand ein langersehntes Ziel erreicht, und er war „außer sich“? Aber warum hat er sich dann nicht nach einer Ruhepause entschuldigt? War ihm alles zu viel und es ist Verzweiflung über zuviel Aufmerksamkeit bzw. Verlust von Privatheit, die aus ihm herausgebrochen ist? Oder steckt in dem optisch zarten Mann bloß ein brutaler Rüpel, der zwar stark im Geben aber schwach Im Nehmen ist?

Weiterlesen