Der von mir unlängst hier („Eliten“, 25. 11.) zitierte Reginald Földy, mit dem ich gemeinsam „Die starken Zweiten – Träger des Erfolgs“ geschrieben habe, kam nicht mehr dazu, sein geplantes Österreich-Buch „Glücklich ist, wer vergisst – das Operettenlibretto als Staatsräson“ zu schreiben. Schade. Er hätte heute viel dazu zu sagen, wenn Bundespräsidentschaftskandidaten des Vergessens geziehen werden (kommentiert von  Viktor Hermann in den Salzburger Nachrichten, 30. 11.).

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Wohl sicherheitshalber spricht nun auch Donald Trump von „illegal abgegebenen Stimmen“ und Betrug, nachdem Jill Stein, die erfolglose Präsidentschaftskandidatin der Grünen, eine Neuauszählung verlangt hat. Für wohlerzogene Menschen in Europa ist wohl irritierend, dass er immer wieder mit Kriminal-Etikettierungen wie „Verbrecherin“ und „gehört ins Gefängnis“ um sich schmeißt und nun neuerlich auf Wut macht – denn wäre er seiner Sache sicher, könnte er ja gelassen das Ergebnis abwarten.

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Donald Trump tat es und Norbert Hofer tut es auch: Sie attackierten ihre direkte Konkurrenz und alle, die sie unterstützen, indem sie sie als vom Volk abgehobene Elite skizzieren. Nur Wahlkampfgetöse … oder doch mehr?

Geht es um „Eliten“ oder um „vom Volk abgehoben“? Von welchem Volk? Vom Wahlvolk? Das sind wir alle (außer diejenigen, denen das Wahlrecht entzogen wurde – die sind auch „abgehoben“. Und abgehoben wird ja auch das Fett von der Suppe – manchmal.)

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Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer sagte bei einem Wahlkampfauftritt in Tirol wörtlich: „Kennt ihr einen Moslem, der im Pflegebereich arbeitet, der bereit ist, unseren Senioren vielleicht die Windeln zu wechseln? Ich kenne das nicht.“ Und er sagte den ersten Satz ohne besondere Betonung mit einer neutralen Miene, für den kurzen zweiten aber hackte er die einzelnen Worte ab und machte dazu eine Grimasse.

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So rund um 15, in der Hochpubertät, stellt sich für alle die Frage: Was für ein Mann, was für eine Frau will ich werden? Den klügeren ist diese auszufüllende Zukunftsperspektive bewusst, sie fragen, sie denken nach, sie vergleichen – und sie suchen Orientierung an Vorbildern.

Letzteres tun auch die weniger Klugen, sie orientieren sich aber an Filmhelden und zunehmend auch Heldinnen, und die sind selten alltagstauglich weil generell gewalttätig. Kung Fu ohne die dazu gehörige Philosophie des Nicht-Angreifens.

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Kaum hatte ich gestern meinen Abendvortrag – Thema „Mut zur Gesundheit“ – begonnen, als mich ein älterer Herr (vermutlich jünger als ich) mit den Worten unterbrach: „Man versteht nichts!“

Dieser Satz kann inhaltlich oder formal gedeutet werden: Unter Verzicht auf die Formulierung „man“ – die ja die Gesamtheit der Anwesenden mit einschließt – kann das „Ich verstehe nichts vom Inhalt“ oder „Ich verstehe nichts, weil ich hörbehindert bin“ heißen.

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Rotraud A. Perner

 

Ursprünglich erschienen unter dem Titel
„Das gefährliche Spiel mit dem Joker-Effekt“ 
in: Die Furche | 10-11-2016

 

Man soll den Teufel nicht an die Wand malen, sagt der Volksmund, sonst ist er da. Heute ist oft die Filmleinwand die Nachfolgerin dieser Malfläche, und man sieht auf ihr nicht nur das Aussehen sondern auch das Verhalten – und das kann zur Nachahmung inspirieren.

Im ersten Batman-Film in den 1960er Jahren mit Cesar Romero war der Joker, ein ehemaliger Hypnotiseur, ein harmloser Spaßmacher mit schrillem Lachen. Ab Ende der 1980er Jahre zeigt der Joker in den Batman-Filmen (und Comics samt Replikas und Merchandising) unterschiedlichen aber immer unheimlichen Charakter: als Gangster (Jack Nicholson), Anarchist (Heath Ledger) oder Psychopath (Jared Leto).

Unheimlich ist das Gegenteil von heimelig, was frei von bösen Geistern bedeutet, wie schon Sigmund Freud aufzeigte. Der unberechenbare Joker löst Angst aus (oder aber seltener Zorn), und genau diese Bedrohlichkeit ist ein attraktives Vorbild vor allem für unreflektierte frustrierte Jugendliche und andere Machtlose, die ihrer erlebten Unwichtigkeit entkommen wollen. Der Joker hingegen ist sehr wohl reflektiert: Er kämpft gegen alle, die ihm im Wege stehen oder insgesamt gegen die Gesellschaft. Seine aktuellen Nachahmer hingegen scheinen nur die Macht der Einschüchterung genießen zu wollen; solche Übergriffe nachfolgend als Spaß zu verteidigen, hat Tradition, selbst wenn sich herausstellt, dass jemand nur im Schutz der Anonymität Rache nehmen wollte.

Angst machen heißt Hochstress auslösen, und das stellt eine oft lang andauernde Gesundheitsschädigung dar, quasi eine leichte Körperverletzung, und gehört wie diese mit Konsequenzen belegt. Das kann gezielte Absicht sein: Maskierungen sind dann Schutzmaßnahmen um nicht erkannt zu werden – denken wir nur an die Verbrechen des Ku Klux Klan mit seinen pseudoreligiösen Spitzhüten oder anderer terroristischer Vereinigungen, die ihr Gesicht unter symbolhaften Tüchern verstecken.

Das Gesicht zu zeigen besitzt Appellcharakter: Man sieht die Gefühle der anderen Person (sofern man nicht ganz verroht oder abgestumpft ist) und reagiert – irgendwie. Deswegen wird ja mancherorts Gefangenen oft der Kopf verhüllt und ihren Bewachern jegliche Kommunikation verboten. Denn wie Paul Watzlawick so treffend formulierte: Wir können nicht nicht kommunizieren. Umgekehrt gilt dies auch: Die Wahl einer Maskierung besagt, man will nicht als lebendiger Gleicher wahrgenommen werden. Und sie besagt gleichzeitigt, mit wem man sich identifiziert: Pumpgun Ronnie mit dem seinerzeitigen US-Präsidenten Ronald Reagan etwa. Im weißen Gesicht des Clowns mit dem blutrot umrahmten Mund hingegen zeigt sich die Blässe des Todes und das Fremdblutsaugen des Vampirs oder Werwolfs. Auch für den Joker ist das Leben nur ein Witz – und der Tod ist dessen Pointe.

Diese Pfeif-drauf-Ideologie finden wir heute bei vielen Menschen, vor allem Jugendlichen, die – noch – keine Erfahrungen mit Sinn stiftenden Beziehungen machen konnten. Solche erfordern wertschätzende Eltern, Lehrkräfte, Ausbildner, Vorgesetzte und Kollegen, die einen als Person wahrnehmen und fördern – nicht nur destruktiv kritisieren oder hämisch auslachen (wie es der Joker tut).

Üblicherweise suchen die so Abgewerteten die Anonymität in einer Gruppe oder Subkultur, in der sie sich stark wähnen und entsprechend agieren können ohne dass sie leicht als konkret Verantwortliche identifiziert zu werden – denken wir nur an Hooligans oder den „Schwarzen Block“. Einzelauftritte als Gruselclown sind neu – das Prinzip ist aber das Gleiche. Es findet sich auch im Vertrauen auf die vermeintliche Anonymität im Internet: Man rechnet nicht mit Enttarnung und schon gar nicht mit Negativkonsequenzen. Das erklärt auch das Selfie-Protzen auf Facebook oder Youtube.

Negativkonsequenzen sind aber notwendig. Und nicht nur für die Täter, sondern auch für die Bystander (das sind die Augen- oder Ohrenzeugen, die wegschauen und passiv bleiben). Die Gesellschaft muss deutlich machen, was sie nicht toleriert bzw. nur unter welchen Bedingungen. Damit sei darauf hingewiesen, dass auch Krampus- oder Perchtenläufe die Gefahr gewalttätiger Übergriffe in sich bergen und daher sozial kontrolliert gehören: Es muss festgehalten werden, wer hinter welcher Maske steckt, wenn er – oder sie – sich in die Öffentlichkeit begibt. Das gehört in den Zuständigkeitsbereich der Polizei. Vermummungsverbote haben in der heutigen „beziehungslosen Gesellschaft“ Sinn. Dort, wo jemand begründet nicht erkannt werden soll, wird man sich etwas Neues einfallen lassen müssen. Dazu sind vor allem all diejenigen aufgefordert, die sich jetzt über steigende Umsätze von Clownmasken freuen.

Aber auch wir alle sollten uns erinnern, dass jede und jeder für Sicherheit Verantwortung trägt und nicht alles wegdelegieren – das Strafen an Polizei und Gerichte, das Liebhaben an Sozialarbeiterschaft und Psychotherapeut_innen. Da wir aber an Vorbildern lernen und beim „Üben“ Bestätigung brauchen, damit wir Machtlust anders als durch Kleinmachen von Anderen genießen können, braucht es Empowerment schon von klein auf. Phrasen allein genügen nicht. Wir brauchen Selbstverteidigungsvorbereitungen – und dazu zählen auch die Kraft der Stimme und die Kraft des Wortes. Ich habe das schon 1987 auf der sogenannten Wiener Konferenz in meiner letzten Rede als Kommunalpolitikerin für den Unterricht in Leibeserziehung gefordert (und halte nach wie vor nichts von der Sinngebung „Bewegung und Sport“ – das greift viel zu kurz). In „Gotham City“ muss man damit rechnen, attackiert zu werden. Also gilt es auch, unsichere Orte zu meiden bzw. sicher zu machen – und wenn es beispielsweise nur durch blaues Licht in der Straßenbeleuchtung ist (wie japanische Versuche bewiesen haben) – oder verbesserte Einsehbarkeit und Vermeidung baulicher Hinterhalte.

Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass die Wohlstandsverlierer und Erziehungsgeschädigten niederschwellig und lustvoll informiert werden, dass und wie Bildung die Selbstachtung hebt. Wir müssen dem „No future“ ein „Schon future“ entgegen setzen.

Oft seien es „harmlose Muskelverspannungen“, die Angst vor Herzinfarkt auslösten, lese ich im heutigen Kurier, aber diese ständige Anspannung wäre das Gefährliche, das zur Verengung der Herzkranzgefäße führen könne. Da orte ich eine typisch einseitig organmedizinische Sichtweise ohne Einfühlung in die Patientenschaft, und das enttäuscht mich. Weiterlesen

Rosemarie Schwaiger zitiert in ihrem Text über „Moralverkehr“ (profil 43 vom 24. Oktober 2016) wohlwollend den britischen Historiker Timothy Garton Ash mit „Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der wir jede Minute ängstlich aufpassen müssen, was wir sagen und was nicht.“

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