Halt! Gewalt!

Üblicherweise sind Ultimaten die letzte Zuflucht verzweifelter Eltern oder Ehepartner, wenn sie sich nicht verstanden, nicht unterstützt oder nicht respektiert fühlen – oder wenn sie ihren Willen nicht durchsetzen konnten. Sie unterscheiden sich nur minimal von echten Drohungen.

Wenn es bei einem Ultimatum nur bei der Verwirklichung angekündigter Konsequenzen bleibt und diese nicht im Zufügen eines Schadens an Leib und Leben bestehen, liegt es an der Selbstbehauptung der auf diese Weise „eingeschränkten“ Person, ob sie nun „zu sich“ halten will oder „zu dem Anderen“, egal wie unangenehm, unwillkommen oder gar belastend die in Aussicht gestellten Konsequenzen sind. So musste ich einmal einem Klienten – einem Hochschulprofessor – sagen, dass mir nichts anderes übrig bliebe als die Polizei zu rufen, wenn er sich weiterhin weigere, nach Beendigung unserer Sitzung meine Praxis zu verlassen. Er wollte unbedingt bleiben bis er die gewünschte Auskunft (wie er nämlich seine Ex-Frau bei der Besuchsrechtregelung für die gemeinsame Tochter austricksen könne) erhalten habe. Ich hatte ihm wiederholt gesagt, dass ich ihm stattdessen nur eine gemeinsame Mediationssitzung mit seiner Ex-Frau anbieten wolle. (Er verhielt sich mir gegenüber vermutlich genau so wie gegenüber seine geschiedenen Frau – ein „Parallelprozess“, wie wir das aus psychoanalytischer Sicht nennen.)

Ein Ultimatum beschränkt den Handlungsrahmen der gegnerischen Person zumindest zeitlich. Mediation hingegen dehnt ihn aus: Man sucht weiter nach einer „einvernehmlichen“ Lösung, bei der wirklich beide Streitparteien wohlüberlegt und auch emotional geeinigt zustimmen können. (In einem Kompromiss hingegen gibt nur jeder ein bisschen nach um möglichst schnell abzuschließen, trägt aber innerlich noch Vorbehalte, Groll und nur zu oft Rachegedanken in sich, die dann bei nächster Gelegenheit ausgelebt werden.)

Die echte Drohung dagegen löst Angst aus – so wie in den Mafia-Filmen, wenn die „Paten“ einander Termine für geforderte Unterwerfung ausrichten lassen.

Aber wie nun beides unterscheiden? Es liegt immer an den Begleitumständen – und dazu gehört vor allem die Art der Kommunikation. Nur ein Zeitlimit anzupeilen, ist weder Ultimatum noch Drohung. Es ist eine faire Ankündigung der eigenen nächsten Schritte. Oder es ist eine Konzentrations-Hilfe, effizienter zu arbeiten. Wenn ich eingeladen werde, bei Personen vorzusprechen, die in einem ähnlichen Zeitkorsett stecken wie ich (was die meist ja nicht wissen), frage ich immer zuallererst (oder kläre das vorab mit dem jeweiligen Sekretariat), wieviel Zeit wir haben werden. Ich will Stress vermeiden – für alle Beteiligten, daher auch für mich.

In der vergangenen Woche wurde das Wort Ultimatum in den Medien immer wieder mit drohendem Unterton angewendet, wenn es um die Umsetzung des vom Bundeskanzler einseitig – wie ein Wahlprogramm – veröffentlichten sogenannten „Plan A“ ging. Damit sollte wohl seiner versuchten Demonstration von „Durchschlags-Kraft“ Raum gegeben werden. Das wird sicherlich seiner Anhängerschaft gefallen – aber partnerschaftlich ist es nicht. In einer Koalition – wie in einer Ehe – fördert man verständnisvolle Atmosphäre und Frieden, indem man sich zuerst intern und intim austauscht und nicht in der breiten Familien- oder Grätzel-Öffentlichkeit, und diese auch nicht zur Verstärkung der eigenen Position aufruft.

Was – noch – nicht entscheidungsreif ist, sollte nicht „mit Gewalt“ erzwungen werden. Es braucht die mediatorische Gesprächsführung (z. B. zu erfragen, was den anderen an Zustimmung hindert) und die basiert auf Vertrauen, und zu diesem kann man sich freiwillig entscheiden und damit zusätzlich das dringend notwendige Vorbild geben.